Sonntag, 4. November 2007

Peterles Abend der Schande

Ich hatte mir mal wieder vorgenommen mein innig geliebtes Goethe-Institut heimzusuchen, um den Ausführungen des so proklamierten Musikethnologen Peter Pannke zu lauschen. Es war eine Lesung seines neuen Buches und eine Diskussion mit William Dalrymple über die traditionelle Musik Indiens angesetzt. W.D. ist der Verfasser des Buches „City of Djinns - one year in Delhi“, das erstens Namensgeber meines Tagebuches und zweitens Vorbereitung für meinen Delhi-Aufenthalt gewesen ist. Eigentlich waren auch Herr Dalrymple und das ebenso angekündigte Konzert die wirklichen Beweggründe für meinen neuerlichen Aufenthalt im Max Mueller Bhavan, da mir schon die Bezeichnung „Musikethnologe“ im Vorwege ein wenig Angst machte. Diese wurde mehr als bestätigt.
Der Vortrag begann ein wenig später, da W.D. im Stau der Stadt verschollen war. Eigentlich hätte er ob seines Jahre andauernden Aufenthalts in Delhi wissen sollen, dass der Verkehr generell ab fünf Uhr nachmittags nahezu unerträglich wird. Außerdem steht diesen Freitag ja Diwali an, das größte Fest der Hindus. Diese Kombination verlängert die Zeit, die ich abends nach getaner Arbeit nach Hause brauche auf gut 1,5 Stunden. Außerdem ist eine chronische Bronchitis unumgänglich, sollte man mal wieder sein Gerödel mit der enthaltenen ABC-Maske (in Form eines Stofftaschentuchs) vergessen haben.
Irgendwann erschien W.D., der mir gleich sympathisch wurde, da er in Chucks, Traveller-Hose und halb aufgeknöpftem Hemd nicht wie ein Schriftsteller aussah, sondern wie ein Tourist, der auf der Suche nach dem nächstem kühlen Bier ist. Er entschuldigte sich kurz und setzte sich zu Peter, der sich richtig schick gemacht hatte. Sein knallrotes Sakko und seine Reinhold-Messner-Frisur machten ihn äußerlich zu einer Mischung aus Ivan Rebroff und dem Yeti.
Die beiden begrüßten sich und Peterle begann mit der Verlesung seines Buches „Singers die twice“ . Es war mit Verlaub gesagt wirklich grauenvoll. Erstens war sein Vorlese-Englisch unterirdisch und zweitens war die englische Übersetzung seines Buches erst am Vorabend in Delhi eingetroffen und wies doch noch einige Fehler auf. Trotzdem zog der Wahl-Berliner völlig schmerzbefreit seine audiovisuelle Folter durch. William, zu seiner rechten sitzend, hatte während dieser dreißig Minuten des Öfteren mit dem Schlaf zu kämpfen und auch ich sehnte mich nach einer lebhaften Diskussion oder einem Glas Wein. Der angekündigte Wein war wohl auch der Beweggrund für die wenigen Gäste bis zum bitteren Ende auszuharren. Nach der Buchpräsentation begann die „Diskussion“, die Peter überwiegend ohne den leicht verloren wirkenden William führte. Dieser stellte lediglich ein paar gelangweilte Fragen. Sowohl das Buch als auch die Diskussion hatten den so genannten DHRUPAD-GESANG zum Thema. Ein Thema das mich nicht hundertprozentig tangiert. Da Peter nicht den Sinn kam, das die Hälfte des Publikums genauso wie ich keinen blassen Schimmer von dem hatte, was er da erzählte, ging die Aufmerksamkeitsspanne von allen relativ rapide nach unten. Man hätte das Thema wahrscheinlich auch interessanter aufbereiten können. Auch eine Miteinbeziehung des durchaus mit Humor ausgestatteten William hätte den Redepart durchaus interessant werden lassen können. Irgendwann ergriff dieser endlich die Initiative und leitete völlig dreist den musikalischen Teil des Abends ein. Ein erleichtertes Raunen ging durch die Audienz, glaubte man sich nun endlich von Peter befreit. Zu früh gefreut - der hängengebliebene Indien-Freak kam wieder.

Nun betrat Premkumar Mallik die Bühne. Der Musik-Professor aus Allahabad hatte seinen Sohn im Gepäck und ist eine Koryphäe auf dem Gebiet des Dhrupad-Gesanges. Dieser ist für einen Außenstehenden nicht vom Gesang eines Muezzin (in der Moschee) zu unterscheiden. Der Gesang ist sehr klagend und wird nur von einer Art Quetschkommode und zwei bongoähnlichen Trommeln unterstützt. Eine angenehme Form der Musik - wirklich. Sie passte zur Atmosphäre und lenkte vom durch P.P. verursachten Schreck ab.
Ich war gerade im höchsten Entspannungsmodus angekommen, da schreckte mich eine Bewegung in der ersten Reihe auf. Peter war aufgestanden und warf sich einen weißen Umhang über. Puh, wahrscheinlich ist ihm nur kalt - das dachten und hofften wohl alle Anwesenden innig. Aber Peter erstürmte die Bühne und stimmte zum Gesang der beiden Künstler auf der Bühne ein und zwar überwiegend alles andere als im Takt und in einer nicht unbedingt harmonischen Stimmlage. Als er dann auch noch den Text beim Singen ins englische übersetzte wurde es mir schon unangenehm.
Schließlich verknüpfte er das Heinrich Heine Gedicht Friederike (das von einem Indien-Aufenthalt Heines handelt) mit dem traditionellen Gesang. Ich versank stellvertretend für alle Deutschen im Boden. William hatte schon zur Hälfte des Konzerts die Flucht ergriffen, da er einen wichtigen Termin hatte. Leider hätte er sich danach nicht allzu offensichtlich an das Buffet stellen sollen - aber ich kann es ihm nicht verübeln.

Berit, die ich ja im Goethe-Institut kennen gelernt hatte, war zum Fotos machen und dabei über den Boden robben eingeteilt (sie macht ein Praktikum im Institut) und somit hatte ich nur wenig Gelegenheit über die Performance meines Landmannes zu lästern.

Der Kommentar der Programmchefin unterstützt meinen Eindruck des Abends. O-Ton: „Er hat meine schlimmsten Erwartungen bei Weitem übertroffen“. Außerdem fragte eine weitere Mitarbeiterin Berit zwischendurch, on sie Peter’s Mikro nicht abstellen solle.
Nicht das irgendwer dahergelaufen kommt und mich als Kulturbolschewisten bezeichnet.

Als das Konzert dann endlich vorbei war - das Wort „endlich“ ist dabei Peter zu verdanken -gab es dann noch leckere kleine Häppchen und Merlot für das leibliche Wohl. Hier drang sich mir dann noch eine Inderin auf, die in New York lebt. Diese begrüßte mich mit einem:“ Hi, how you’re doing? Nice to meeting you. I am xxxxx. (den Namen habe ich vergessen)“
Ich hasse diese gespielte Freundlichkeit und war sehr froh als sich dann auch noch Kat zu uns gesellte. Der gebürtige Rumäne, der in Kanada lebt antwortete auf meine erneute Nachfrage nach seinem Namen mit „like a cat, miau“. Kat war überaus sympathisch und lenkte mich ein wenig von den bescheuerten Fragen der New Yorkerin ab. Es blieb aber beim Small Talk und Berit und ich beschlossen in den Greater Kailash I zu fahren um uns bei Gin Tonic und Bier vom Schrecken des Abends zu erholen. Leider hatte der von uns georderte Rikshaw-Fahrer keinen blassen Schimmer von unserem Ziel und wir mussten uns durchfragen. Nun kam ein großes Problem eines jeden Rikshaw-Fahrers zum Tragen. Inder können kulturell bedingt nicht nein sagen. Das kann zu etwaigen Problemen führen, wenn man nach dem Weg zu einem bestimmten Ziel fragt. Denn anstatt zu sagen, dass das erfragte Ziel unbekannt ist, schickt der Gefragte einen lieber nach Mumbai als zuzugeben, dass er keine Ahnung hat wo sich der N-Block im Greater Kailash I befindet.
Schlussendlich fanden wir noch die Bar WE2, die trotz der fortgeschrittenen Stunde (es war gegen 23h) noch geöffnet hatte. Irgendwie war ich durch den bisherigen Verlauf des Abends leicht angesäuert und ich freute mich auf meinen wohlverdienten, auf der Karte angepriesenen, Beefeater mit Tonic. Auch hier kam wieder das Problem des „nicht-nein-sagen-Könnens“ zu Tragen. Aber lesen Sie selbst:

Andreas: One Beefeater with Tonic Water, two pieces of ice and a lemon slice please.
Kellner: Hanji (yes) Sir. Kopwackeln (kann sowohl ja, so etwas wie nein und vielleicht heißen)
(fünf Minuten später bringt der Kellner einen Seagrams Dry Gin ohne Eis, Zitrone und Tonic-Water, dafür mit Limonensirup und Wasser)
Andreas: That’s not what I wanted. Can you get me some Tonic Water?!
Kellner: Yes Sir.
(fünf Minuten später)
Kellner: Sorry Sir, we do not have Tonic Water.
Andreas: Okay, then please bring a White Russian.
Kellner: Okay Sir.
(fünf Minuten später)
Kellner: Sorry Sir, White Russian is not available.
Andreas: Okay, just get me a cold beer.

Für diese Situation erspare ich mir den Kommentar „nix zu kriegen - wie im Osten“. Mit dem Bier in der Hand war ich dann aber doch zufrieden gestellt und ich konnte den Abend bei Konversation mit Berit (von der wir beide nichts verstanden, da die Musik mal wieder viel zu laut war) und kaltem Bier in der Hand ausklingen lassen.

Ein Satz noch mal an Peter Pannke:

Dear Peter,

Thank you for setting my people and me back a thousand years.

Mittwoch, 31. Oktober 2007

Die Frau und das rollende Ungeheuer

Dass manche technischen Errungenschaften der westlichen Welt nicht in letzter Instanz in Indien die Regel sind hatte ich schon erlebt, als ich unbedachterweise meinen Fotoapparat in einem großen Mob zückte. Folgende Geschichte war aber trotz meines mittlerweile zweimonatigem Aufenthalts hier in Delhi ein Unikum und darüber hinaus sehr belustigend. Ich hatte mich zum wiederholten Male zum Essen am Connaught Place verabredet. Der C.P. liegt ca. 2 km von meiner Arbeitsstätte, dem Chawri Bazar, entfernt. Ich entschied mich also mir direkt nach der Arbeit eine Motor-Rikshaw zu organiseren, da Fahrrad-Rikshaws sich dem Zentrum Delhis nicht nähern dürfen.
Die Organisation eines Fortbewegungsmittels stellte sich aber leider nicht als so einfach dar, da sich das größte Fest der Hindus namens Diwali nähert und das Verkehrsaufkommen Delhis seitdem Tag für Tag unaufhaltsam wächst. So dauerte es schon eine Viertelstunde, um ohne verlorene Gliedmaßen die circa fünf Meter breite Straße zu überqueren. Der indische Verkehrteilnehmer war an diesem Tage besonders rücksichtslos, da auch er wusste, dass jede gen Abend verstrichene Minute den Weg nach Hause oder zum Geschäft der Wahl um zwanzig Minuten verlängert. Ich überlegte zwischenzeitlich schon mir eine Brücke zu bauen, um an den Verkehrsknotenpunkt namens Darya Ganj zu kommen, da schoss mir der Gedanke durch den Kopf den Weg zum Zentrum mit der Metro zurückzulegen. Gesagt getan. Ich enterte den Eingang der U-Bahn ohne Probleme und die Taschenkontrolle ließ ich auch hinter mir ohne die Tasche öffnen zu müssen, denn Ausländer westlicher Herkunft können anscheinend keine Terroristen sein. Ich werde hier zumindest meistens einfach mit einem Lächeln durchgewunken. Und das obwohl ich mich schon selbst als gefährlich einstufe. Na ja, Spaß bei Seite.
Auf jeden Fall war ich ein wenig spät dran und ich wollte meinen Essenspartner darauf hinweisen, dass ich mich ein wenig verspäten würde, da fiel mir ein kleiner Tumult an der zum Gleis führenden Rolltreppe auf. Neugierig wie ich bin wollte ich natürlich auch an der Freude der dort stehende Personen teilhaben, außerdem wollte ich natürlich generell in Erfahrung bringen, was dort vor sich ging.
Es handelte sich um eine Frau in dem Alter von in etwa dreißig Jahren, die nicht wusste wie sie mit der Rolltreppe umgehen sollte. Jeder Schritt auf das sich bewegende Ungetüm wurde von einem lauten Schrei und einem sehr schnellen Schritt zurück auf das Festland begleitet. Das ganze Prozedere dauerte bestimmt zwei bis drei Minuten bis sich zwei indische Mit-Rolltreppenfahrer erbarmten und sie unter ihre Fittiche nahmen. Letztendlich war die Frau nicht mehr ängstlich, sondern hatte sogar Riesenspaß und konnte zum Schluss der doch recht langen Rolltreppe alleine auf ihrer Stufe stehen. Es war eine Mordsgaudi das alles zu beobachten. Dass ich selbst nicht „geholfen“ habe entschuldige ich heute mit meiner journalistischen Tätigkeit und der Pflicht das Ganze so genau wie möglich aufzuschreiben.

Und wir müssen in die Achterbahn um solchen Spaß zu haben. Eigentlich traurig, aber so eine Achterbahn ist doch auch eine super Sache.

Montag, 29. Oktober 2007

Lychee Lassi und das Goethe-Institut

Das Nachtleben Delhis war bisher ein böhmisches Dorf für mich. Wenn man als Europäer Nächte bis spät in die Morgenstunden gewöhnt ist, wird zumindest in den einschlägigen Touristenspelunken Delhis bitter enttäuscht. Jeder Club schließt gegen 23.30h seine Pforten und bietet nicht allzu viel außer eines geplatzten Trommelfells ob der extremen Lautstärke. Ich hatte mich schon damit abgefunden mich in fast jeder freien Minute im meiner Wohnstätte nahe gelegenen „Siri Fort Sports Complex“ mit der Stählung meines Körpers zu beschäftigen.
Aber es kam wie immer in Indien anders. Ich hielt mich in meinem Lieblingsrestaurant „The Big Chill“ am Khan Market auf. Hier wird überwiegend europäische/amerikanische Küche auf einem hohen Level kredenzt. Da ich zurzeit die indische Küche bis auf einen kleinen Teil aus dem Speiseplan verbannt habe, ist dieses Restaurant ein guter Ablenkungsfeldzug.
So geschah es dann auch wieder an dem vergangenen Samstag, dass ich bei frisch gepresstem Apfelsaft und Salami-Pizza das „Time Out Magazine Delhi“ studierte. Hier war der Gig der Elektronik-Jazz Combo Lychee Lassi aus Berlin im Max Mueller Bhavan (Goethe-Institut Delhi) als Tagestipp genannt. Da ich wider erwarten eh nichts zu tun hatte machte ich mich mit der Rikshaw auf zum Institut in Erwartung eines entspannten Konzertabends. Der Eintritt war umsonst und ich traf bereits an der Eingangspforte David, der auch unwissend wie ich ein wenig zum proklamierten Jazz entspannen wollte. David ist halb Franzose und halb dominikanischer Republikaner oder DomRepper (oder wie die Jungs und Mädels aus dem Land eben heißen) und sein Satz: „I really hope that they got beer“ ließ ihn schon an der Pforte sehr sympathisch erscheinen - schließlich kann ich zu kaltem Kingfisher (so heißt hier das bekannteste Gebräu) nur in Ausnahmefällen nein sagen. Aber ich erzählte ihm, das eigentlich jede von Deutschen organisierte Veranstaltung Bier auf der Getränkekarte hätte, außer vielleicht die Jahreshauptversammlung der Anonymen Alkoholiker. Während wir warteten erzählte er mir, dass er im diplomatischen Dienst für das Konsulat der Dominikanischen Republik arbeitet und schon seit 15 Monaten in Delhi ausharrt. Dann wurden wir eingelassen und die Jungs von Lychee Lassi bestehend aus DJ Illvibe (bis 2005 DJ bei Seeed), Dirk Berger (g), Beat Halberschmidt (b) und Roland "Roy" Knauf (dr) legten los und überraschten mich mit einem frischen Mix aus elektronischer Musik, bizarr verzerrter Gitarre und einem sehr dominanten Bass. Samples aus überwiegend alten 90er Rapstücken und ein Höllentrommler rundeten das Spektakel ab. Die Jungs rockten das gesamte Publikum bestehend aus vielen Weißhäuten, indischer Jugend und Offiziellen. Der Höhepunkt des Gigs war dann das gemeinsame Stück mit der indischen Elektro-Fraktion Jalebee Cartel, die nach Lychee Lassi auftraten und Musik in Richtung der Band Underworld mit indischem Einfluss machten. Deliziös. Die letzten beiden Stücke wurden dann wieder gemeinsam gespielt und nun konnte sich niemand mehr auf dem zugewiesenen Platz halten. Ein weiteres lustiges Erlebnis war das Kennen lernen von Berit aus Berlin, die ab morgen ein Praktikum im Max Mueller Bhavan absolviert und ungefähr eine Minute von meiner Wohnung entfernt wohnt - welch Zufall. In Kombination von Berit und David sowie einigen Mitabeitern der Deutschen Botschaft floss das Bier dann endlich mal in St. Pauli-geht-spielen-Manier. Das Konzert war gegen 23h zu Ende und man beschloss sich auf ins Park-Hotel zu machen, um den Abend mit härteren Alkoholika ausklingen zu lassen. Hier wurden dann Erinnerungen etwaige Schickeria-Schauplätze Deutschlands wach. Überwiegend junge Delhianer gaben hier das Geld ihrer reichen Eltern aus und die Mädels trugen Kleidungsstücke, die den Namen Kleid nicht verdienen. Diese bedeckten nämlich nur primäre und sekundäre Geschlechtsteile. Alle waren ziemlich aufgebrezelt. Nicht gerade mein Klientel und als ich dann feststellte, das ich für meinen Tanqueray-Tonic gerade siebenhundert Rupees (EUR 13,50) bezahlt hatte, beschloss ich mich eher mit Gesprächen mit den anderen der Partygruppe zu beschäftigen statt meiner Gin-Gier zu frönen. Gegen eins beschlossen Berit, David und ich dann nach einem ausführlichen Nummernaustausch die Wohnungen aufzusuchen. Da wir alle recht hübsch einen in der Krone hatten gestaltete sich das Finden des D-Blocks in dem Berit und ich wohnen ein wenig schwierig. Wir forderten dann einfach den Taxi-Fahrer auf uns bei irgendeinem Eingang herauszulassen. Eine Stunde später konnte ich dann auch Berit zu Hause abliefern und trat hundemüde den Heimweg an um am gestrigen Sonntag endlich mal wieder mit einem Kater aufzuwachen.

Mittwoch, 24. Oktober 2007

Der Ausländer als Geldesel

Ich hatte schon in den vorherigen Berichten des Öfteren mal durchklingen lassen, dass der gemeine Inder immer und überall darauf bedacht ist den weißhäutig oder asiatisch erscheinenden Touristen abzurippen. Er ist ja ein vermeintlicher Tourist und hat Unmengen von Geld, die er am liebsten nicht sinnvoll ausgeben, sondern zwielichtig daher kommenden Gestalten in den Rachen werfen möchte. Sicherlich verallgemeinere ich mal wieder ein wenig, aber so ist der Kleine nun mal.
Allerdings habe ich jetzt auch noch einen anderen möglichen Grund für dieses Verhalten gefunden. Der Staat macht den Rikshaw-Fahrern, Straßenverkäufern und Schleppern vorbildlich vor, wie man Touristen um ihr Geld bringt.
Geht man als Tourist zu jeglichen eintrittspflichtigen Sehenswürdigkeiten muss bei den eigens für Ausländer eingerichteten Schaltern seine Eintrittskarte erstehen. So weit so gut, aber bei der Aufschrift „Indian citizens 2 Rs. - Foreigners 100 Rs.“ kommt ein gewisses Gefühl von „ich fühle mich ungerecht behandelt“ auf. Das ist immerhin der fünfzigfache Faktor. Und wer mir jetzt mit „aber die Inder haben doch nicht so viel Geld“ kommt, hat zwar Recht, ABER die Inder, die man in kulturellen Stätten findet, nagen alles andere als am Hungertuch.
Der große Bevölkerungsteil, der arm ist möchte mit seinem wenigen Geld andere Sachen machen - zum Beispiel Nahrung kaufen und seine Familie ernähren. Der Anblick des Red Fort hat wohl noch keinen satt gemacht und auch Steine und Rasen sind nur bedingt als Nahrungsmittel geeignet, außerdem sollte man die Wachen nicht vergessen, die berechtigterweise darauf achten, dass man ja nichts anfasst.

Ich sehe es auch ein, dass ich als Ausländer ein wenig mehr bezahle, aber bei den Sehenswürdigkeiten in Agra hört der Spaß dann auch auf. Schaut man sich das Taj Mahal, das Agra Fort und das Mini Taj Mahal an, ist man schnell dreißig Euro los, während der Einheimische sein über das Jahr gesammeltes Indianergeld, das er ob des gen Null strebenden Wertes nie los wird, endlich an den Mann, äh die Kulturstätte, bringen kann.

Mein Vorschlag lautet daher nicht wie sonst „einfach Indien annektieren und dann selbst ändern“ sondern rapide Preiserhöhungen an europäischen und asiatischen Kulturstätten für Mitarbeiter der indischen Regierung - insbesondere des Ministeriums für Bildung und Kultur. Statt im deutschen Museum in München subventionierte EUR 8,50 zu zahlen wären dann mal eben EUR 425,- fällig.

Ich sollte Diplomat oder so werden.

Montag, 22. Oktober 2007

Meine neue Leidenschaft für Krankenhäuser

Ja was soll ich sagen. Auf der Intensivstation in Agra hat es mir ja schon ziemlich gut gefallen. Allerdings wollte ich auch mal die medizinischen Einrichtungen in meiner derzeitigen Wahlheimat Delhi anschauen und habe es auch getan - auch hier eher unfreiwillig.
Aber wie kam es dazu?
Nach unserem Traumbesuch in Agra habe ich nach unserer Rückkehr erstmal recht lange, recht tief geschlafen und mir ging es wieder einigermaßen gut, ich hatte kein Fieber mehr und ich hatte das Gefühl auf dem Wege der Besserung zu sein. Trotzdem entschloss ich mich dieses Mal einen echten Arzt zu konsultieren, um der Geschichte mal auf den Grund zu gehen. MD Dr. Shashi Mohan ist der Leibarzt Prems und somit hatte ich ein gutes Gefühl. Er ist ausgebildeter Kardiologe, hat in Delhi, London und Oxford studiert und hat mehr als zehn Jahre im Vereinigten Königreich als Arzt gearbeitet. Er untersuchte mich und ließ weitere Bluttests (juhu) in einem Labor ganz in der Nähe seiner Praxis machen. Endlich eine Vertrauenserweckende medizinische Einrichtung. Die saubere Ausstattung und sehr freundliches Personal nahmen mir zwar nicht die Angst vor der Nadel, aber gaben zumindest ein gutes Gefühl für den Ablauf der Prozedur des Grauens. Außerdem konnte man die Testergebnisse noch am selben Tag auf der Homepage des Institutes mit dem Passwort auf der Rechnung abrufen (sehr vorbildlich, aber datenschutztechnisch wohl eher fragwürdig). Die Tests wiesen auf irgendeine Entzündung hin und ich bekam die Lieblingsmedikation eines jeden indischen Arztes verschrieben - ein Antibiotikum.
Ich schluckte brav die mir verordneten Tabletten, aber nach zwei Tagen bekam ich endlich wieder Fieber und auch mein bis dato treuer Gefährte - der Durchfall - hatte sich wieder zu mir gesellt. Also rief ich auf Druck meiner Freundin Shashi an, der mich prompt zu einem neuerlichen Aufenthalt im Krankenhaus bat. Also Sachen gepackt, einen von Prems Fahrern bestellt und ab in die Klinik.
Nun gesellte sich auch endlich mein zweiter - mir in Agra so lieb gewordener Freund zu mir - der Tropf. Da das erste Antibiotikum durch den Tropf nicht anschlug und ich weiterhin Fieber und Durchfall hatte, ließ der Arzt zwei Antibiotika parallel laufen. Kombiniert mit den Infusionen, die meine Dehydrierung aufheben sollten, wurde ich also dauernd umgestöpselt - natürlich auch in der Nacht. Wer sich an die Krankenhausszene bei „Werner Beinhart“ erinnert, bei der die Krankenschwester zu den unchristlichsten Zeiten in das Krankenzimmer marschiert, um irgendwelche Arbeiten zu verrichten und dann schließlich immer das Licht anlässt, weiß wie ich mich Gefühlt habe. Ich verstehe, dass man die Infusionen wechseln muss und auch das Fieber zu messen ist sicherlich sinnvoll (hier noch richtig zeitraubend und fast Antik mit einem Bleithermometer), aber dauernd Blutdruck messen kombiniert mit irgendwelchen Putzkräften, die morgens um sechs den Raum wischen wollen - nein das hat schon manchmal genervt. Des Weiteren sollte der Einsatz von Senfgas als Putzmittel überdacht werden. Ich weiß nicht was die benutzt haben, aber Klebstoff schnüffeln stelle ich mir ähnlich vor - bewusstseinserweiternd und kopfschmerzfördernd.

Zum Glück hatte ich mich für die Deluxe Suite entschieden, die ein Einzelzimmer war. Von daher waren schon mal andauernde indische Familienbesuche ausgeschlossen. Für meinen eigenen Besuch hatte ich dann sogar eine Schlafmöglichkeit, die netterweise sogar benutzt wurde. Außerdem kann man in Indien durchaus sein Mobile im Krankenhaus benutzen und so hatte ich immer Zeitvertreib durch besorgte Anrufe aus der Heimat - vielen Dank dafür. Außerdem noch Dank an Leonies Papa, der uns immer mit Ratschlägen und Einschätzungen aus medizinischer Sicht zur Seite stand. Für mich war es doch immer ein gutes Gefühl, die Tests noch einmal aus Deutschland überprüfen zu lassen. Zu guter Letzt möchte ich noch „Rajivs Power Mac“ danken, der mir gütigerweise unwissend sein wenn auch schwaches WLAN Netzwerk im Krankenhaus zur Verfügung stellte. Und jetzt ist ein für alle Mal Schluss mit langweiligen Berichten aus Krankenhäusern.

Das Leben und die Arbeit rufen.

FYI:
Sehr zu empfehlen bei langweiligen Krankenhausaufenthalten: „Resturlaub“ von Tommy Jaud als Hörbuch - gelesen von Christoph Maria Herbst (Stromberg).

Dienstag, 9. Oktober 2007

Die Intensiv(e)Station in Agra

Endlich war es soweit und Leonie und ich wollten die seit langem geplante Agra-Reise zum Taj Mahal und sonstigen Sehenswürdigkeiten antreten. Wir entschieden uns für die unorganisierte Variante mit dem Zug. Wir trafen überpünktlich um 5:45 h an der New Delhi Train Station ein und erwischten somit unseren Zug um 6:15 h ohne Hetze und völlig entspannt. Es gab eine kleine Mahlzeit und daher verlief die zweieinviertelstündige Reise sehr angenehm. Welch entspannter Anfang - sollte man meinen.
Wir kamen an und buchten sogleich entgegen unserer eigentlichen Planungen ein Rückfahrtticket, da wir doch keine Lust hatten in der recht ahnsehnlichen aber kleinen Stadt zu übernachten.
Der erste Eindruck war, dass man (wie in einschlägigen Reiseführern erwähnt) von hunderttausend Taxifahrern und Schleppern überrannt wird. Aber diese ließen wir mittlerweile erfahren hinter uns und mieteten einen Kulturstättenbesichtigungsrikshawfahrer für Rs. 400,- pro Nase. Dieser fuhr uns zu den wichtigsten kulturellen Stätten der überschaubaren Stadt Agra. Wir sahen das Agra Fort, das Mini-Taj Mahal und die Rückseite des Taj Mahal - eines Mitgliedes der neuen „sieben Weltwunder“. Bereits hier merkte ich, dass ich meine gerade überwundene Magen- und Darmgrippe wohl doch noch nicht ganz überwunden hatte. Wir beschlossen uns in einem Café in der Nähe niederzulassen und ein wenig Kraft für den abendlichen Taj Mahal-Besuch zu sammeln. Leider wurde mein Zustand nicht besser und ich merkte, dass ich Fieber hatte. Wir beschlossen einen Schnellbesuch im Taj Mahal und darauf folgend eine Umbuchung des Tickets und eine möglichst schnelle Rückkehr.
Das Taj Mahal war sehr faszinierend, obwohl ich mir sicher bin, dass ich ob des Fiebers ein anderes Bauwerk als Leonie gesehen habe.
Die Umbuchung übernahm großzügigerweise Leonie, da ich mich mittlerweile nicht zu mehr in der Lage sah, als herumzuvegetieren und möglichst viel Wasser zu trinken.
Wie schon öfters erwähnt nehmen manche Dinge in Indien mehr Zeit ein als anderswo. Wer hätte aber gedacht, dass die Bahnarbeiter sogar unsere Schalterkräfte bei der DB an Langsamkeit übertreffen? Aber meine kleine Freundin nahm auch diese zermürbende Aktivität mit unschlagbarer Gelassenheit hin.
Mir ging es derweil immer schlechter und ich hatte mich vor die Bahnstation begeben, da meine Arme von starken Krämpfen heimgesucht wurden und mir das Atmen und sprechen schwer viel. Es hatte sich eine Indien gerecht werdende Menschenmasse um mich versammelt. Diese versuchte hektisch den von mir lautstark geforderten Arzt herbeizurufen und Leonie zu alarmieren. Schwierig wenn einem die Zunge die Aussprache des Buchstabens „L“ verweigert. Aber „a girl from Germany“ kam mit einigen Anstrengungen zum Glück doch noch über meine Lippen.
Als Leonie herbeigeeilt war ging es dann auch gleich mit dem Taxi in das nahe gelegene „Krankenhaus“ auf die „intensive care unit“ und zwar quer auf der Rückbank liegend. Für den Taxifahrer sicherlich das Ereignis des Tages. Ich war zwar kein Fahrgast, der ins Taxi springt und: „folgen Sie dem grünen Wagen da vorne“ brüllt, aber laut war ich auch. Beruhigend war, dass niemand im Krankenhaus als Arzt zu identifizieren war. Putzfrau und die Krankenpfleger sahen alle gleich aus. Wer mich kennt weiß, dass ich eine gewisse Abneigung gegen Dinge habe, die in mich gestochen werden um entweder Flüssigkeit aus mir zu entwenden oder Dinge in meinen Körper zu verbringen. Oder einfach ausgedrückt: ICH HASSE JEGLICHE FORM VON SPRITZEN.
Daher wies ich die mittlerweile aufgetauchte junge Ärztin an mir irgendwelche Schmerztabletten einzuflössen - egal welche, anstatt mich irgendwie anzupieksen. Die nächste Überraschung war, dass Leonie die Medikation selbst aus der Apotheke holen sollte - das übernahm dann aber doch zum Glück der Taxifahrer, der heldenhaft im Krankenhaus geblieben war. Die Tabletten waren extrem lecker, zeigten allerdings keine Wirkung. Also entschied ich mich heldenhaft mir doch einen Zugang legen zu lassen, da die Schmerzen mittlerweile fast bewusstseinsraubend waren. Mittlerweile war ich dann auch schon an das EKG angeschlossen und hatte Muskelentspannungsmittel in den Allerwertesten gespritzt bekommen. Sehr hilfreich war das niemand der englischen Sprache mächtig war. So verstand niemand meine doch sehr deutliche Aufforderung: „Get me a §$%$’* doctor with a pain killer “. (die verschiedenen Symbole können durch ein beliebiges englisches Wort der unverblümteren Art, das mein Anliegen verdeutlichen sollte ersetzt werden - ich habe sie alle ausprobiert - leider ohne Erfolg)
Schließlich schliff Leonie die Ärztin aus ihrer Sprechstunde, um mir Linderung in Form von Injektionen zu bringen.
Später kam der Chefarzt und Eigentümer der Klinik, um sich auch ein Bild der Situation zu machen. Er verordnete weitere Infusionen, die - wie sich später herausstellte - durchaus kritischere Situationen hätten erzeugen können. Außerdem verbesserte er unsere Stimmung indem er einen Verdacht auf Malaria äußerte. Zumindest versuchte er seine Hypothese mit den notwendigen Bluttests zu festigen. Wenigstens eine kompetente Entscheidung an diesem schönen Abend. Leider viel er im weiteren Verlauf nur durch eine abwertende und lächerlich machende Attitüde gegenüber Leonie auf.
Die Schmerzmittel in Kombination mit einer einfachen Plastiktüte als Atemmaske (zum Glück war uns bewusst, dass man eine Hyperventilation mit den verbundenen Symptomen so stoppen beziehungsweise lindern kann) brachten nach drei Stunden dann endlich die ersehnte Schmerzfreiheit. Dass unser Arzt des Misstrauens diese Methode mit einem lauten Lachen würdigte möchte ich nur am Rande erwähnen. Schade ist einfach nur, dass das Krankenhauspersonal sofort Männchen machte, als ihr Star-Mediziner die Bühne betrat und somit unsere eigene Behandlungsmethode erst nach Gewaltandrohung unterstützte. Eigentlich waren noch weitere Tests mit mir vorgesehen. Das Röntgenbild meiner Brust ließen wir noch durchgehen, allerdings waren auf dem Bild dann auch die Innereien der Umstehenden abgebildet. In Agra wird das Röntgen nämlich gleich im Bett als Gruppenphoto erledigt. Wir ließen noch die letzte Infusion durchlaufen und entschieden uns die 200 km nach Delhi mit dem Taxi zurückzulegen. Weitere Tests wollte ich nicht über mich ergehen lassen, da mir doch bewusst war, dass ich wegen meiner indischen Kontakte Zugang zu richtigen Ärzten in Delhi haben würde. Ein Tag mit einem überheblichen Medizinmann hatte uns gereicht. Außerdem fühlte ich mich transportfähig. Wer die dreckige Intensivstation mit der Todeskandidatin zu meiner Rechten gesehen hätte, würde mich verstehen. Es gibt mir kein gutes Gefühl, wenn man Kanülen und Medikamente selbst aus der Apotheke besorgen muss, um dann erstmal die Nadeln augenscheinlich auf Sterilität zu untersuchen.
Blieb nur noch dieses Wort „Malaria“ das uns im Kopf umherschwirrte. Leider konnte uns niemand Auskunft über die Tests geben - es war kein Arzt mehr zugegen respektive die Ergebnisse waren nur gegen Bezahlung der Krankenhausgebühr ersichtlich. Da unsere flüssigen finanziellen Mittel aufgrund der bisher erstandenen Kosten gen Null strebten und das Krankenhaus wider Erwarten (haha) keine Kreditkarten akzeptierte war erstmal ein Besuch bei der nächsten ATM nötig. Gütigerweise ließ dann der Krankenhausmanager (!!!) dann doch mit den Untersuchungsergebnissen in der Hand durchsickern, dass es sich nicht um Malaria handelte.
Nach der Nummer packten wir dann nur noch schnell unsere Sachen, holten Geld und Leonie organisierte geistesgegenwärtig noch schnell in der „bitte einmal Alles Manier“ bei Pizza Hut eine kleine Wegzehrung. Zumindest hatten wir so für den nächsten Tag eine volle Mahlzeit für eine ausgehungerte Handballtruppe, denn mein Appetit war noch eher beschränkt.
Vier Stunden später kamen wir völlig erschöpft im Hotel an.

Fazit:
1) Agra vergesse ich nicht
2) Ohne Leonie wäre ich wohl gleich im Zinksarg nach Hause gekommen
3) Humor ist wenn man trotzdem lacht
4) Kein schlechtes Wort über das deutsche Gesundheitssystem in meiner Gegenwart

Freitag, 5. Oktober 2007

Die neue Bleibe

Delhi ist eine recht stressige und laute Stadt. Sowohl die Gegend meiner derzeitigen Arbeitstätte als auch der Stadtteil Paharganj in dem sich mein bisheriges Hotel „Presidency“ befindet sind nichts für schwache Nerven.
Ich halte mich nicht für einen Menschen mit schwachen Nerven, aber mein bisher einmonatiger Aufenthalt in Delhi zeigt mir, dass ich zumindest eine Lärm- und Stressquelle eliminieren sollte. Somit bahnt sich mein dritter Umzug an, da ich die Arbeitsstätte ja nicht mal so eben wechseln kann.

Aber bevor ein Umzug ansteht muss man erstmal eine neue und vor allem akzeptable Bleibe suchen. Kein leichtes Unterfangen in Delhi mit seinem Verkehr und den nur fast oder gar nicht vorhandenen Straßenbezeichnungen und den immer hinterlistigen Rikshaw-Fahrern.
Die neue Bleibe sollte folgende Kriterien erfüllen:

1) Es darf kein Tempel (egal welcher Glaubensrichtung) in der Nähe sein. Wie in einem vorherigen Bericht schon angedeutet, haben die Inder jegliches Gefühl für Lautstärke irgendwann und irgendwo verloren und somit auch für die immer läutenden Glocken/Klingeln/sonstiger Krachmacher ihrer Tempelanlagen. Und dieses auch noch zu unchristlichen Zeiten beziehungsweise Zeiten, die jeglicher Glaubensrichtung widersprechen.
2) Jegliche Form von Straße, die mehr als 2.000 Fahrzeuge auf zehn Meter Strecke und vier Meter Breite beherbergt, sollte ebenso nicht in unmittelbarer Nähe sein. Des Weiteren sollte die Feinstaubbelastung auf den m³ Luft unter der Gesamtbelastung aller deutschen Städte über 60.000 Einwohner zum Beginn der Sommerferienzeit liegen.
3) Der Helligkeitswert des Zimmers/Raumes sollte auch zur Tageszeit höher sein als an einem Dezembernachmittag in Nordschweden.
4) Es sollte unter tausend Euro im Monat Frühstück inklusive kosten.

Was soll ich sagen. Mit großartiger Mithilfe Leonies ist es uns gelungen eine neue Bleibe zu finden. Diese ist im recht reichen Stadtteil Gulmohar Park gelegen. Name des Guesthouses ist „Home away from Home“. Es hat nur zwei zu vermietende Zimmer und wird von der freundlichen Mrs. Kamte, ihren Sklaven (die natürlich auch mit der Klingel herbeizitiert werden) und ihren Bassets Hushy und Puppy geleitet. Das Zimmer hat einen Balkon, ist sehr hell und alles an Mobiliar ist heil - dieses ist übrigens sehr selten in Delhi. Außerdem ist die Bleibe sehr sauber und somit brauche ich mir als Profi Hausstaub- und Tierhaarallergiker auch keine Sorgen zu machen.
Auch habe ich dort eine stetige Internetverbindung und somit steht ausführlichen Plaudereien nichts mehr im Wege - allerdings erst ab dem 10.10. Der Weg zu diesem Zimmer war sehr steinig und ging mit einer Lektion zum Einkommenssteuersytem Indiens einher. Er war also typische indisch. Denn ketzerisch behauptet läuft hier bis dato nicht allzu viel glatt und ohne eine gewisse Grundgelassenheit wäre der eine oder andere Amoklauf wohl nicht zu vermeiden gewesen.
Aber ich möchte die Leserschaft nicht mit solchen Nichtigkeiten ermüden.
In der Überbrückungszeit haben wir ein Zimmer in der Defence Colony bezogen. Auch eine eher wohlhabende und ruhige Gegend - also ist kein Todeslauf, verursacht durch eine zu hohe Lärm- und Stressbelastung, von meiner Einer in der Zukunft zu erwarten.

Mittwoch, 3. Oktober 2007

Der entspannte Tag

Nach einem anstrengenden Tag soll man sich etwas Gutes gönnen. Da in Delhi bereits die Fahrt vom Hotel zum Restaurant der Wahl einen anstrengenden Tag bereiten kann, beschlossen wir uns von unserem persönlichen Reiseführer „Lonely Planet“ geleitet für eine Wellness-Aktion.
Die vorgeschlagene Adresse existierte allerdings gar nicht mehr und ich sah eine entspannte Massage in die Ferne ziehen.
Leonie hatte allerdings noch Beine wachsen auf dem Programm und so entschieden wir uns für den Besuch eines Beauty-Salons.
Vor meinem geistigen Auge sah ich mich bereits mit der Hindustan Times in folgendem Szenario sitzen:

Frauen, die bei der Pedi- und Maniküre sitzen, lassen sich beim Kichern nicht durch schreiende Frauen beim Beine und sonst was wachsen beirren. In Kombination mit dem neuesten Tratsch aus der Nachbarschaft auf Hindi brauchte ich entweder starke Alkoholika oder Narkotika um das zu überstehen – kurzum: Ich hatte Angst.

Aber ich überlebte - und das entspannt, ausgeglichen und rundum zufrieden.

Wer hätte gedacht, dass es auch einen Salon für Herren im gleichen Gebäude gab? Ich entschied mich bei der Auswahl meines Programms – wer hätte es gedacht – weder für eine Pediküre noch für ein Ganzkörperenthaarungsprogramm.
Ich hatte eine Gesichtsrasur und eine Kopfmassage ausgesucht.
Meine letzte Erfahrung mit einer solch gearteten Rasur hatte ich im letzten Orientbesuch mit meinem Vater. Allerdings hatte ich da noch keinen Bart – eher Flaum - und die Rasur fand nur statt, um mir das Gefühl, ein richtiger Mann zu sein zu geben.

Dieses Mal hatte ich zumindest Bartwuchs.
Die Rasur dauerte alles in allem ca. eine Dreiviertelstunde und wurde mit einem traditionellen Rasiermesser ausgeführt – nicht mit einem „Gilette Power acht Klingen Dreifachschliff Elektro Hobel“ oder wie die neuesten Errungenschaften auf dem Rasiersektor auch immer heißen. Sollte ich mich mit einem solchen Gerät selbst rasieren, müsste ich dieses wohl unter ärztlicher Aufsicht und mit den nötigen Blutkonserven in petto tun. Außerdem wäre eine gute Portion Eis für die entfernten Gesichtsteile von Vorteil.
Aber der Barbier hatte ein geschicktes Händchen und erledigte seinen Beruf faszinierend gut und die eigentliche Rasur erstaunlich schnell.
Die Kopfmassage dauerte ca. eine Stunde und begann mit dem „Einweichen“ des Kopfes mit Kokosöl. Danach folgte das ganze Programm inklusive Gelenkknacken (der medizinische Sinn dieser Prozedur erscheint mir fern, aber egal) und es war einfach nur entspannend.

Leonie hatte sich derweil der Haarentfernung unterzogen. Wer noch schöner sein will, muss eben noch mehr leiden. Außerdem hatte sie sich eine geschlagene Stunde maniküren lassen inklusive eines unterirdisch rosafarbenen Nagellacks.

Für alles zusammen bezahlten wir dann um die neun Euro. Im Vergleich zu den Heimatlanden unschlagbar günstig. Hier wäre wohl eine Hypothek auf das nicht existente Haus fällig gewesen.
Fazit: Alle Menschen mit Rückenschmerzen: Ab nach Delhi

Montag, 1. Oktober 2007

Der erste Brand

Mein bisheriger Eindruck des Nachtlebens der 14 Millionenstadt Delhis ist zu vergleichen mit dem meiner Heimatstadt Neumünster abzüglich der einzigen Diskothek SKY. Umso erfreuter war ich, dass sich mein Chef aus Hamburg zum kurzen Besuch angekündigt hatte. Da weiß ich das ich Qualität geliefert bekomme. Er erwartete mich gegen zwölf Uhr Mittags zusammen mit meinem Mentor Prem, den ich bis dato noch garnicht gesehen hatte, im Hotel Oberoi im dekadenten Süden Delhis. Angefangen wurde standesgemäß mit Bier und Wodka Lemon. Zu der genannten Uhrzeit eigentlich nicht unbedingt meine Sache, aber wenn man so lange auf dem Schlauch gestanden hat, nimmt man was kommt. Das Oberoi ist ein Spitzenklassehotel in dem man für den nötigen Obulus wahrscheinlich auch den Hintern abgewischt bekommt. Es gab ein leckeres Fünf-Gänge Menü an das ich mich ehrlich gesagt nur noch wage erinnern kann. Auf jeden Fall bestanden die Hauptgänge aus Chicken und Zanderfilet. Bevor wir richtig anfingen zu spachteln gab es noch aber einiges zu besprechen, das meinen Aufenthalt hier betrifft, aber ich möchte die Leserschaft nicht mit langweiligen geschäftlichen Details nerven.
Da beide Seiten am späten Nachmittag noch ein geschäftliches Treffen hatten, hielten wir uns ein wenig zurück und verständigten uns darauf es am Abend ein wenig deftiger anzugehen.
Nach dem geschäftlichen Treffen, das ebenfalls im Süden Delhis stattfand ging es für mich zur Privatresidenz Prems. Und ich kann sagen:" So etwas habe ich in meinem Leben noch nie gesehen." Das Haus an sich hatte sicherlich seine 700 qm, aber auch der 13 x 20 m Pool mit Wasserfall, der japanische Garten und die Riesenbar mit Poolbilliardtisch, Kino und sonstigem Zeugs waren sehr beeindruckend. Das eigene Fitnesscenter war da fast schon normal. Empfangen wurde ich von Prems' Frau, da die beiden anderen Herren im Verkehr Delhis feststeckten. Prem hat zwei Söhne von denen der ältere in Rhode Island an der Brown University Wirtschaftswissenschaften studiert. Der jüngere beschäftigt sich zurzeit eher mit seinem Riesenfernseher und seiner Playstation.
Prem ist direkt an meinem Arbeitsplatz, dem Chawri Bazar, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und hat sich nach dem Scheitern eines Medizinstudiums dem Papierverkauf gewidmet. Heute verkauft er 50% des in Indien verbrauchten Zeitungsdruckpapieres und es geht auch beim restlichen Papiergeschäft nichts an seiner Papierhandelsgesellschaft N.T.S.C. vorbei. Außerdem ist er im Containergeschäft aktiv und ist Vostandsvorsitzender und größter Anteilseigner der Containergesellschaft Gateway. Somit ist Prem auch der erste indische Bürger, dem es erlaubt ist eine eigene Eisenbahnlinie zum Containertransport aufzubauen. Nebenbei hat er in diesem Jahr noch eine Universität mitgegründet, die sich überwiegend Studiengängen der Richtung Massenmedien widmet.
Man merkt, Prem ist sehr reich. Nach meinen Begriffen ist er sogar sehr sehr reich. Laut dem indischen Wirtschaftsmagazin Business-Standard war er bereits 2005 7,6 Milliarden Rupien schwer. Immerhin sind das 136 Millionen Euro - und das vor der Gründung seines überaus erfolgreichen Containerunternehmens.
Bewundernswert finde ich, dass Prem seinen unermesslichen Reichtum nicht wie zum Beispiel meine über alles geliebte Sylt-Schickeria zur Schau stellt. Sicherlich hat er ein Riesenhaus (das allerdings sehr abgeschottet ist) und verkehrt in den höchsten Kreisen. Allerdings verzichtet er auf Statussymbole á la Motoryacht und Ferrari.
Außerdem bezahlt er seinen Söhnen zwar die teure universitäre Ausbildung an Spitzenuniversitäten, aber für ihren Lebensunterhalt müssen sie selbst aufkommen. Man stelle sich mal einen Klappskalli wie zum Beispiel Millionärssohn Sebastian Kamps vor wie er seinen eigenen Lebensunterhalt verdient. Dieser würde wahrscheinlich schon am ersten Arbeitstag daran scheitern sich vor der Aufnahme der Arbeit morgens selbst die Hose anzuziehen.
Nach Begutachtung des Hauses ging es weiter in das Hotel Sheraton, das ein sehr gutes südindisches Restaurant hat. Gespeist wurde mit den Fingern aus kleinen Schälchen und von Palmenblättern. Es gab einige Geflügel- und Fischvariationen mit verschiedenen verdammt gut schmeckenden Chutneys und Dosas (südindische Brotspezialitäten). Natürlich widmeten wir uns auch der Befeuchtung unserer Kehlen. Beim Essen gab es die eine oder andere Flasche Cloudy Bay - einen neusseländischen Weißwein.
Sitt und satt machte ich mich langsam schon darauf gefasst mich von Prems Fahrer ins Hotel fahren zu lassen, da sich die Anzahl der Essenspartner durch gewisse "optische Täuschungen" schon verdoppelt hatte. Wehe dem, der Weintrinken nicht gewohnt ist und eben diesen wie Bier trinkt.
Dennoch motivierten wir uns gegenseitig doch noch einen kleinen Gin-Tonic an der Bar zu nehmen - der Gesundheit zuliebe. Schon bald hatten wir Geschäftliches ad acta gelegt und beschäftigten uns eher mit Lallen und den einschlägigen Themen eines Männerabends. Im Hotel war ich dann gegen drei Uhr morgens. Immerhin dreieinhalb Stunden später als die allgemein übliche Sperrstunde. Eigentlich ist im Sheraton an der Bar auch gegen zwölf Feierabend - zumindest für Nicht-Hotelgäste. Daher nahm mein Chef schnell die Identität eines Bekannten Händlers an, den wir am gleichen Abend hier getroffen hatten. Die Bar-Zeche wurde somit auf das Zimmer von Robert H. gebucht. Das verwunderte Gesicht über solch eine hohe Bar-Zeche am nächsten Tag hätte ich nur allzu gern gesehen.
Schön endlich auch mal Delhi ein wenig verkabelt zu haben. Aber Leute - ich sage euch eines - Delhi ist die Hölle auf Erden mit einem Kater.

Mittwoch, 26. September 2007

Die neuen Familienmitglieder

Dass das Wort Gastfreundschaft in Indien einen weitaus höheren Stellenwert hat als in unseren Gefilden haben Leonie und ich nun auch am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Aber ersteinmal die Vorgeschichte:
Ich traf mich mit Rajesh, um die Möglichkeiten gemeinsamer geschäftlicher Aktivitäten in der Zukunft abzuwägen. Rajesh ist einer der vielen Schwäger von Prem Kishan Gupta, meinem "Mentor".
Unser Geschäftsgespräch schwang relativ zügig auf meine bisherigen Erfahrungen hier in Delhi um und ich beschwerte mich über das schwache Nachtleben meiner derzeitigen Wahlheimat. Rajesh intervenierte sofort und lud mich umgehend auf eine kleine Besichtigungs- und Kneipentour ein. Da Inder geschäftlich viel ohne jeglichen Wahrheitsgehalt reden, nahm ich diese Einladung natürlich an, rechnete aber nicht damit, dass ein solchartiger Abend wirklich stattfinden würde.
Am nächsten Tag musste ich noch einmal geschäftlich mit ihm telefonieren und Rajesh lud Leonie und Michelle (von denen ich ihm erzählt hatte) und mich tatsächlich zu einem gemeinsamen Abend mit seiner Frau Sangeeta ein.


Die beiden holten uns in ihrem Suzuki (die Inder stehen auf Reisbrenner), der auf arktische Temperaturen abgekühlt war, ab. Schon in den ersten Minuten stellte ich mir die folgende Frage: Wenn Frauen angeblich viel reden, was ist Sangeeta dann? Auf jeden Fall ist Sangeeta das Überwesen der Vielredner.
Begleitet von ständigem Gebrabbel besichtigten wir erst das India Gate.

Dieses ist ein 42 m hoher, ca 20 m breiter und 15 m tiefer Bau im Zentrum Delhis. Er ähnelt dem Arc de Triomphe in Paris. In seinem Inneren brennt eine ewige Flamme, die zusammen mit den in den Bogen eingemeißelten Namen an alle in Kriegen gefallenen Soldaten Indiens erinnern soll. Man stelle sich vor so etwas gäbe es in Deutschland. Bei dessen kriegerischer Vergangenheit müssten wohl die Zwillingstürme in Kuala Lumpur als Gedenkstätte herhalten.
Direkt nach dem Delhi Gate ging es an die Pforten der präsidialen Unterkunft und der verschiedenen Ministerien sowie des Parlaments. Leider nur ein kurzer Moment, da aufgrund der andauernden Panikmache wegen der angeblichen Terrorgefahr eine nähere Erkundung nicht mehr gestattet ist und durch schwerbewaffnete Polizisten sichergestellt wird.
Nach unserer kurzen Besichtigungstour ging es weiter in das Blues. Eine Kneipe in der überwiegend Gidda-Mugge mit Getrommel gespielt wurde. An sich schon meine Musik, allerdings nicht in einer Lautstärke von 140 dB (wenn sich meine Jungs hier allerdings mal blicken lassen sollten, werden wir hier wohl den ein oder anderen Abend versacken und das tun was wir vermeintlich am besten können - Bier trinken). Leider scheinen die Inder durch das viele Hupen und den ständigen Verkehrslärm jegliches Gefühl für Lautstärke verloren zu haben. Folglich redeten alle wie ganz normal. Nur wir drei noch nicht eingenordeten hatten arge Probleme unsere eigenen Worte zu verstehen. Danach gingen wir noch in ein typisches indisches Restaurant, in dem es erlaubt ist seine eigene Getränke mitzubringen (Rajesh hatte zum Glück indischen Whisky mit - kann man trinken...). Das Essen war mit Verlaub gesagt gewöhnungsbedürftig. Für die Damen gab es Vegetarisches und Fisch, für mich und Rajesh Geflügel-Innereien (was ich glücklicherweise erst nach dem Essen herausfand). Auch das in meinem Tagebuch zu findende "Musik"-Video stammt von jenem Abend.
Der Abend war alles in allem sehr nett. Eines wurde mir aber auch klar. Das "verheiratet werden" von Frauen ist in Indien auch in der heutigen Zeit die Regel. Zumindest Sangeeta äußerte ihren Unmut darüber mit Kommentaren wie: "In India you first get married - then you fall in love".
Erwähnenswert bleibt aber trotzdem eines: Auf der Hochzeit der beiden waren mal eben 10.000 Gäste und sie dauerte 6 Tage. Eigentlich sind die Kosten eines so gigantischen Festes durch die Eltern der Braut zu tragen, aber hier sprang Prem großzügig ein.
Leonie und ich sind jetzt zumindest so etwas wie passive Mitglieder der Familie. Wir sind jederzeit willkommen und könnten jegliche Hilfe von beiden in Anspruch nehmen. Außerdem wollen die beiden mit uns immer alles zusammen machen - mitunter schwierig...

Der vermeintlich schlaue Motor-Rikshaw-Fahrer

Ist man als augenscheinlicher Tourist in Delhi unterwegs wird man immer und überall übers Ohr gehauen. Am häufigsten passiert dieses, wenn man mit der Rikshaw unterwegs ist. Für Strecken, die ich schon kenne, weiß ich in etwa, was ich zu zahlen habe.Da ich mich mit Leonie zurzeit aber nach einer neuen Bleibe umschaue respektive weiter entfernte Sehenswürdigkeiten begutachte, lege ich mitunter auch Strecken zurück, die ich zwar auf der Karte ausfindig machen kann, allerdings ist die Karte des Lonely Planet nicht allzu ausführlich und es fällt somit schwer realistische Preise abzuwägen.
Auf Kurzstrecken versuchten wir zum Anfang Festpreise auszuhandeln - da wir die Strecken mittlerweile kennen, lassen wir immer öfter nach zähen Verhandlungen das Taximeter laufen. Das klappt auch ganz gut und außerdem hat es uns zu verstehen gegeben, dass wir mit unseren bisher ausgehandelten Preisen auf den kürzeren Strecken mindestens 20 - 30 % Touristenzuschlag berappen durften.
Nun wollten wir auch auf den "Langstrecken" von vielleicht 9 - 10 km (in der immer währenden Hauptverkehrszeit in Delhi nimmt diese Strecke im Motorvehikel in etwa 45-55 Minuten ein) das Taximeter laufen lassen. Uns Füchsen war natürlich schon vorher bewusst, dass wir bei einem sofort bereitwilligen Fahrer auf der Hut sein mussten. Es dauerte nich allzu lange und wir hatten einen vermeintlich kostengünstigen Fahrer gefunden, der sofort das Taximeter in Betrieb setzte und sogleich begann die abenteuerlichsten und schönsten Umwege durch Delhi zu fahren. Wir ließen ihn nur zu gerne gewähren, da wir so eine kostenfreie Besichtigungstour geboten bekamen. Außerdem bewegte sich das Taximeter um nicht eine Rupie, da es defekt war. Der Fahrer hatte ein riesen Dollarzeichen in den Augen und ich konnte mir ein leichtes Schmunzeln natürlich nicht verkneifen. Der schönste Moment war die Ankunft am Ziel. Der Rikshaw-Fahrer hatte schon erhöhten Speichelfluss ob der erwarteten erschummelten Reichtümer. Noch weitaus schöner war dann das enttäuschte Gesicht, als er sein Taximeter mit dem aussagekräftigen 0,00 Rs. auf dem Bildschirm erspähte.
Aber wir waren/sind ja keine Unmenschen und haben ihm einen gerechten Preis gezahlt, allerdings inklusive eines hämischen Grinsens.

Sonntag, 23. September 2007

Der Pups-Drink

Auch in einem Land wie Indien gibt es Pizza Hut. Zwar ist die Speisekarte eher auf die vegetarisch „lebenden“ Hindus abgestimmt, aber die Pizzas (Word sagt, dass der Plural von Pizza nicht Pizzen ist – ich glaube den Jungs von Microsoft jetzt einfach mal) schmecken extrem gut. Allerdings sollte man von der Order eines „refreshing Massala Lemon Drinks“ absehen. Auf den ersten Blick sieht dieses Getränk wirklich trügerisch erfrischend aus – bis die Nase in die Nähe der grünlichen Flüssigkeit kommt. Ein Gemisch aus Schwefel und Methan steigt in die Nase und nimmt einem schon vor dem ersten Schluck die Lust auf eben diesen und aufs Atmen generell. Der Schluck wird nicht unbedingt besser.
Zur Aufklärung:
Der gemeine Inder liebt es die schönsten Getränke auf seine Art zu modifizieren. So sollte man in jedem Restaurant zum bestellten Orangensaft ein „sweet“ hinzufügen. Sonst kommt das bestellte Erfrischungsgetränk nämlich mit Salz gemischt. Eine Geschmackserfahrung der besonderen Art, wenn man ein Erfrischungsgetränk im europäischen Sinne erwartet.
Das besagte Getränk bei Pizza Hut war dann mit einer Massala-Gewürzmischung zubereitet. Diese enthält dann unter anderem Knoblauch – eine Nahtoderfahrung. Fazit: Fieses Zeug. Zwanzig Euro für den, der ein ganzes Glas schafft

Montag, 17. September 2007

Die Frau und die Kuh

Dass Kühe ein gemeinläufiges Bild auf den Straßen Delhis sind, brauche ich ja nicht mehr zu erwähnen. Die nachfolgend geschilderte Szenerie sollte aber auch auf den chaotischsten Straßen der Welt (wer meint, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne → Lufthansa HH – Delhi ca. EUR 549,-) ein recht seltenes Bild ergeben.
Jeder der mich nur ein bisschen kennt sollte langsam wissen, dass ich mich nur allzu gerne der Schadenfreude hingebe – das folgende zauberte mir das breiteste Grinsen der letzten Tage auf mein Gesicht.
Es begab sich zu der Zeit, dass ich auf dem Weg zum Büro auf der Fahrrad-Rikshaw inmitten von Smog, Autos, Motorrollern und sonstigen, in Europa nicht aufzufindenden, Gefährten saß.
Unter den Verkehrsteilnehmern waren auch eine Kuh und ein Motorroller samt Ehepaar. Der Mann hatte sich der Horroraufgabe des Fahrers verschrieben und die Frau war in ihrer Naivität auf dem Beifahrersitz zu finden.
Die Kuh fühlte sich augenscheinlich im dichten Straßenverkehr nicht allzu wohl, denn sie lief in ihrer zugestandenen, kleinen Pazelle recht nervös auf und ab.
Die letzte Position, die sie nach mehreren Schlägen durch ihren Eigentümer, einnahm war direkt neben der Frau auf dem Motorroller. Und zwar direkt mit der Unangenehmen Seite auf die Frau gerichtet.
Aus dem Gesichtsausdruck der Frau las ich schnell eine gewisse Unzufriedenheit mit der Situation, die sich ergeben hatte. Wer schaut schon gerne mit einem Abstand von vielleicht zwanzig Zentimetern in den Auspuff einer Kuh.
Wie ich eingangs schon erwähnte bin ich manchmal sehr schadenfroh und so war ich es auch dieses Mal. Wer jetzt erahnen kann, was ich mir insgeheim in diesem Moment wünschte, ist ebenso schadenfroh und kann sich mal bitte ein bisschen mit Kritik zurückhalten.
Und es geschah…
Auf einmal vernahm ich nur ein leichtes Kreischen und die Frau versuchte mit allen Mitteln, der sich auf ihren Sari ergießenden Fäkalien zu erwehren.
Hatte der Sari zum Beginn der Szene noch eine gelbliche Farbe, so war er nun zumindest auf einer Seite in leichten Brauntönen gehalten. Erst der Besitzer der Kuh konnte Abhilfe schaffen, allerdings auch mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht.
Zum Glück nahm der Verkehr wieder seinen Lauf und die Frau konnte zumindest das Lachen des Rikshaw-Fahrers und meiner Person nicht mehr vernehmen. Man was habe ich gelacht.

Situationskomik at it’s best.

Der 1. Besuch und die erste Krankheit

Am Donnerstag, den 13.09. war es dann auch endlich so weit. Leonie stattet mir einen fünfwöchigen Besuch ab und wird versuchen eines ihrer Wunschreiseziele zu erkunden. So weit so gut.
Ich für meinen Teil habe mir dann auch recht passend am Mittwoch Fieber und einen schönen Schnupfen als Begrüßung ausgedacht. Man sollte halt die Klimaanlage des Nachts nicht allzu kalt laufen lassen und vor allem NICHT darauf bauen, dass sie wie die Tage bisher aufgrund des Stromausfalls in den frühen Morgenstunden eh den Geist aufgibt.
Diese Nacht hatten die Kraftwerke wohl einen Raummeter mehr Holz bekommen und liefen die gesamte Nacht durch. Daraus resultierte dann wohl auch die Sommergrippe.
Aber ich schlauer Mensch hatte ja die 36er Packung Tempo Plus Packung mitgenommen und hatte somit nicht eine Sekunde mit einem wunden Näschen zu kämpfen.
Daher: Leute kauft nur und ausschließlich TEMPO Plus, denn nur Tempo Plus lässt die Nase heil und scheffelt meiner Firma aufgrund der Rohstofflieferungen an Procter & Gamble eine Menge Kohle in die Tasche. Außerdem weiß ich als Hausstauballergiker Bescheid, was den Papiertaschentuchmarkt Deutschlands angeht.

Na ja auf jeden Fall machte ich mich am Donnerstag dann auf in Richtung Indira Gandhi Airport um zu schauen wer da denn so alles aus BA-Flug 143 aus London aussteigt. Leider konnte ich mit keinem schönen Namensschildchen aufwarten, aber zumindest hatte ich ja meinen Schnupfen zur Begrüßung.

Schön ist übrigens, dass sich die geschäftstüchtigen Inder auch für den international ankommenden Flugverkehr ihre kleine Abzocke ausgedacht haben. Eintritt zum Flughafen ist nur gegen einen kleinen Obolus von Rs. 60,- möglich. Aber was man nicht alles tut, um die Freundin in die Arme schließen und anstecken zu können. Aus dem Flughafen heraus kommt man dann aber immerhin doch umsonst.

Gesagt getan. Nachdem ich mich bereits am Freitagmorgen unaufhaltsam auf dem Weg der Besserung befand, hatte Leonie gleich mit dreierlei Krankheit zu kämpfen: Schnupfen, Bronchitis und Zahnschmerzen. Zumindest bin ich mir aber bei der Nummer drei sicher, dass ich nicht annähernd schuldig bin.
Zumindest habe ich jetzt aber das indische Apothekensystem ein wenig erkundschaften können.
Denn von schlechtem Gewissen getrieben hat Ritter Andreas sich aufgemacht um den Drachen Schnupfen und Bronchitis in Form von Medikamenten beizukommen.
Die Apotheken sind Tante Emma Läden mit einer für den Laien nicht überschaubaren Menge an Packungen. Regiert wird dieses Reich von Apotheker und Lakai. Ich schilderte dem Apotheker das Krankheitsbild und bekam auch hier wieder den Geschäftssinn des indischen Volkes – ja auch der Pharmazeuten – zu spüren.
„Sir, do you have a cold?“ Das konnte ich ja nun mit meiner um drei oktaven tieferen und sehr nasalen Stimme nicht verneinen und hatte dann zusätzlich zum widerlich schmeckenden Hustensaft (ja, ich habe ihn auch probiert, weil er so gut roch…) Tabletten gegen Schnupfen und ein Antibiotikum im Einkaufsbeutel. Witzig ist, dass der Apotheker direkt dosiert – soll heißen, dass er mir keine ganze Packung gab, sondern die Anzahl der „verschriebenen“ Pillen aus der Packung schnitt. Somit werden in Indien niemals zu viele Pillen verordnet. Keine in der Mülltonne landenden, nicht verwendeten Restbestände mehr. Vorbildlich. Ich werde das mal Frau Schmidt vorschlagen. Vielleicht sitze ich dann ja auch bald als Beauftragter für das Gesundheitswesen im Bundestag. Dass die Damen und Herren Bundestagsabgeordnete sich gerne Laien als Experten in das Boot holen, ist ja nun nichts Neues.


Das Antibiotikum werde ich natürlich nicht nehmen und die restlichen Tabletten hebe ich mir für schwerverschnupfte Zeiten auf. Ich bevorzuge nämlich eher den Heilschlaf und bin dieses Mal wieder sehr gut mit dieser Variante gefahren.
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass ich für die Gesamtausstattung nicht mehr als Rs. 80 ausgeben musste.
Außerdem befindet sich nun auch der Besuch auf dem Weg der Besserung und kann jetzt endlich beginnen, den Rohtextilienmarkt der indischen Hauptstadt zu erkunden.
Für den immer noch schmerzenden Zahn habe ich sicherlich noch eine schwere Zimmertür und einen Bindfaden in der Hinterhand. Sollte ein gewisser Herr Backenzahn also zufällig diesen Text lesen, wäre für ihn zumindest die Überlegung gut, ob er nicht damit aufhören sollte weiterhin Schmerzen zu verursachen.

Mittwoch, 12. September 2007

Fotos auf Indisch

Heute möchte ich eine kleine Entschuldigung loswerden. Und zwar habe ich in letzter Zeit zwar einigermaßen viel geschrieben, aber bis dato nur drei mickrige Fotos in mein Online-Tagebuch integriert. Das ist natürlich nicht zu entschuldigen – das könnte man denken, wenn man noch nicht in Delhi zum Beispiel an der New Delhi Train Station unwissenderweise seinen Fotoapparat gezückt hätte…
Tja, ich habe es getan – nicht ahnend welche Folgen das Ganze haben würde.
Zur Erklärung: Der gemeine Inder ist solche technischen Errungenschaften noch nicht in dem Maße gewohnt, wie wir es vielleicht sind. Außerdem scheint er nicht nachvollziehen zu können, dass man so etwas völlig Normales wie eine Bahnstation ablichten möchte. Dass es für mich alles andere als normal ist, was man dort zu Gesicht bekommt, wissen die dort hin- und herwuselnden Menschen ja nicht.
Jeder WILL ein Bahn-Ticket an den absolut überfüllten Kartenschaltern erhaschen und niemand möchte warten. Eine große Parallele zum Straßenverkehr ist nicht zu leugnen, nur es wird nicht gehupt, sondern gerufen, gestikuliert und hin- und hergelaufen. Auch wenn der Vergleich von Mensch und Tier ein wenig schmerzt und anmaßend klingt. Es geht dort zu wie auf dem Ameisenhaufen.
Es gibt nur eine einzige Sache, die diese Masse ablenken kann – und da komme ich dann wieder ins Spiel.
Ich Depp stehe da und mache in der untergehenden Abendsonne mein Foto, um den fleißigen Blog-Lesern auch mal etwas Visuelles präsentieren zu können.
Leider schätzt die Kamera das Dämmerlicht eines Blitzes würdig ein und erregt somit ungewollt die Massen. Denn alle wollen auf einmal fotografiert werden, ob jung oder alt. Ich stehe dort wie die große Raupe, die von der Ameisenkolonie bei lebendigem verspeist wird.
Mir bleiben genau zwei Möglichkeiten:
1) Ein Gruppenfoto mit 2.000 Menschen, die während das Foto gemacht wird zumindest doch noch an die Option denken eine Zugfahrkarte zu ergattern, also nicht in letzter Instanz stehen bleiben
2) Pfeifen, unauffällig sein und die Kamera langsam in die Tasche gleiten lassen in der Hoffnung, dass der Mob denken könne der Blitz sei aus der Reflektion der Sonne und meiner „weißen“ Haut entstanden
Alles für die Katz. Und so mache ich ein paar Fotos von posierenden Teenagern. Als die nächste Gruppe interessierter Jugendlicher anrollt entschließe ich mich zum taktischen Rückzug und entschwinde in die Weiten des U-Bahn Systems, wo ich bis zum nächsten Frühjahr verharre.

Die einzige Chance in dieser Ecke eine Foto machen zu können ist ein wenig zu schrumpfen oder einfach eine liebe Person (nennen wir sie der ihr so wichtigen Anonymität halber L.C.Z. aus Henstedt-Ulzburg), als Fotografin einzusetzen. Sie wird wenigstens nicht ob ihrer Größe unter den mit Körpermaß nicht gerade großzügig gesegneten Indern auffallen. Und diese Person kommt nun auch schon morgen. Da wird vieles doch wesentlich leichter fallen. Danke für Deinen Besuch L.C.Z.!

Also immer daran denken: Gelernt habe ich eines: „Together the Ants will conquer the elephant“ und wenn es in der nächsten Zeit mehr Fotos gibt stammen sie aus einer anderen Perspektive.

Montag, 10. September 2007

Die Nuss, die Spucken lässt

Ein dauerndes Erscheinungsbild in den Straßen Delhis sind spuckende Männer, die eine rote, blutähnliche Flüssigkeit aus Bussen, einfach so gehend auf der Straße oder in Ecken spucken. Da die Flüssigkeit wie Blut aussieht und in relativ großen Mengen ausgespuckt wird, stellt sich einem dann schon mal die Frage, was es mit dieser Flüssigkeit auf sich hat. Das Gespuckte ist das Produkt aus Speichel und dem Fruchtfleisch der Betelnuss. Die Betelnuss wird aufgrund ihres starken Eigengeschmacks mit Kautabak und/oder anderen Zutaten gemischt und gekaut. Die rötliche Nuss regt den Speichelfluss an und wirkt in großen Mengen genossen etwas berauschend. Durch den starken Speichelfluss ist es dann auch nötig sich der Flüssigkeit ab und an zu entledigen.
Das sieht zwar nicht unbedingt appetitlich aus, scheint aber auf eine große Masse gewisse Reize auszuüben. Dass das Kauen der Betelnuss das Zahnfleisch sehr stark angreift scheint niemanden zu stören.
Ich für meinen Teil muss sagen, dass diese Frucht es mir ermöglicht hat ein wenig toleranter zu werden. Was ist hier denn los? Andreas und Toleranz - da kann was nicht stimmen.
Wenn ich in Hamburg noch jeden Halbwüchsigen, der einen "dicken Gelben" auf den U-Bahn-Stationsboden verbrachte am liebsten auf die Gleise geschubst hätte, stört mich das hier in Delhi schon überhaupt nicht mehr. Hier kann ich mich dann einfach weiter in meiner zweiten Domäne üben - der Ignoranz.

Die Plastikklingel

Auch witzig ist das Verhalten führungspositionsinnehabender Großstädtler zur Arbeitszeit. Sollte einer der Bürohäuptlinge etwas von seinen Untertanen wollen, ruft er ihn nicht heran. Nein, das Ganze wird durch den Griff zur eigens dafür auf dem Tisch angebrachten roten Siebzigerjahreklingel geregelt. Diese wird gedrückt und schon eilt der Lakai heran.
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass das Büro in etwa dreißig +/- fünf Quadratmeter groß ist. Hier wäre ein direkter Ruf nach der gewünschten Person eventuell sinnvoller und würde bei mir und anderen nicht immer einen Fast-Herzstillstand auslösen. Aber auch das werde ich überleben. So sind sie die Kleinen.

Das Handeln als fester Teil der indischen Geschäftskultur

Ob nun der Rikshaw-Fahrer oder der Händler auf dem Basar. Alle "geschäftstätigen" Menschen in Delhi sehen natürlich, dass ich ein vermeintlich wohlhabender Westweltler bin. Das sich dieser Eindruck eigentlich immer auf die Preise, die ich bei jeglicher Dienstleistung zu zahlen habe, auswirkt, kann ich diesen Menschen nicht mal übel nehmen. Ich bin ja schließlich selbst ein Handlungsreisender, der eben diese Geschäftstaktik hier noch mehr verinnerlichen soll.
Witzig ist allein der Fakt, dass das Handeln hier immer auf die gleiche Art und Weise abzulaufen scheint.
Beispiel gestern. Tatort Palika Bazaar. Ich habe einen kleinen Shopping-Ausflug mit meiner deutschen Bekanntschaft Michelle gemacht, die hier allerdings nicht zum Arbeitszweck verweilt, sondern ihre Lorbeeren im Studienfach "Social Work" sammelt.
Der Palika Bazaar ist ein direkt am Connaught Place (also im Zentrum) unterirdisch gelegener Basar, der überwiegend Plagiate feilbietet. Meine Aufmerksamkeit sollte sich an diesem Tage besonders auf DVD's und Unterhaltungselektronika generell richten. Besonders die Staffeln eins und zwei der amerikanischen Erfolgsserie "Prison Break" standen auf meinem Einkaufszettel. Da unser Äußerliches eine unglaubliche Zahlungskraft zu suggerieren scheint, wurden wir von den Verkäufern regelrecht in die kleinen, dort ansässigen, Läden hineingestikuliert. Schon bald wurde ich fündig und der Verkäufer bot mir einen Preis von 1.200,- Rupees (in etwa EUR 24,- für 12 DVD's). Ich erwähnte, dass der mir offerierte Preis wesentlich zu hoch sei und drehte mich um, den Ausgang des Geschäftes fest vor Augen. Ich kam nicht allzu weit, da ich direkt zum Gegengebot aufgefordert wurde. Ich sagte im Scherz "500,- Rupees" und war dann doch überrascht, als der Verkäufer mit "Okay with 600,- im fine" konterte. Schlußendlich zahlte ich 500,- Rupees (zehn Euro) und bin mir immer noch relativ sicher über's Ohr gehauen worden zu sein. Aber meinem Motto als Kaufmann "Leben und leben lassen" bin ich gefolgt.
Was lehrt mich aber diese Geschichte?
1. Biete immer weniger als die Hälfte des angebotenen Preises
2. Der Verkäufer wird Dich entgeistert angucken und "no" oder "nahi" sagen
3. Du wirst Dich umdrehen und versuchen herauszugehen (die Kür und der wichtigste Teil ist dabei so ernst wie möglich auszusehen - denn Du weißt, dass gleich Schritt 4 kommt)
4. Der Verkäufer ruft Dich zurück und wird ein Gegengebot machen, das in der Nähe Deines Wunschpreises liegt
5. Du beharrst auf Deinem Preis und bekommst ihn
6. Beide sind glücklich
(ausführlicher geschilderte Tipps werden bald im gut sortierten Buchhandel unter "Handeln - 6 Tipps zum Erfolg" zu finden sein)

Samstag, 8. September 2007

Indien und China - Die neuen Weltmächte? Amended.

Oft wird bei der Frage nach der neuen Ökonomie-Weltmacht direkt hinter der Volksrepublik China Indien als hoffnungsvoller Kandidat genannt. Schon in wenigen Jahren sollen die bisher dominierenden Volkswirtschaften USA, die Bundesrepublik Deutschland und Japan von ihren hohen Rössern gestürzt werden. Mein bisher bescheidener Einblick in die indische Welt besagt etwas anderes.

Aber erstmal möchte ich das "hoffnungsvolle" China als Topanwärter herauskegeln. Neueste Berichte von Naturkatastrophen und Produktionsausfällen durch das hoffnungslos überlastete Stromnetz, lassen jeden aufmerksamen Leser einschlägiger Tageszeitungen doch an den immens positiven, immer wieder veröffentlichten Statistiken, zweifeln. Wenn in der bedeutenden Lebensader Jangtse fast täglich Tierarten für immer verschwinden und der hochgelobte Drei-Schluchten-Staudamm eine Flutkatastrophe nach der anderen heraufbeschwört, dann bleibt es nur eine Frage der Zeit bis die riesige Masse der Landbevölkerung, die bisher nichts vom wirtschaftlichen Aufschwung zu spüren bekommen hat, ihrer Lebenselexire Wasser und fruchtbaren Boden beraubt wird. Wie die regierende KP ein solch massives Problem lösen möchte bleibt abzuwarten. Vielleicht waren die Ereignisse am Platz des himmlischen Friedens im Jahre 1989 nur der Anfang, um sich der Proteste des nicht zu bändigenden Mob zu entledigen.

Bleibt die unbestrittene, immer weiter wachsende Handelsmacht China. Auch hier scheint nicht alles so rosig zu sein, wie die Statistiken aussagen. Denn immer neue Rückrufe, wie z.B. in der letzten Zeit vonm Spielwarenhersteller Mattel, sensibilisieren den Käufer auf kurz oder lang. Denn ein paar Euro mehr zu investieren, wenn man damit das Risiko schmälert sich eines nicht einzuschätzenden Krebsrisikos auszusetzen, wird in der Zukunft in vielen Köpfen eine Überlegung wert sein.

Auch wenn auf der letzten Automesse in Peking eine gewisse Ähnlichkeit der chinesischen Fahrzeuge zu den KFZ auf deutschlands Straßen nicht zu leugnen ist, wird auch irgendwann ein Herr Pitschesrieder auf den Gedanken kommen, dass er zwar Milliarden investiert und dafür günstig produziert hat, aber seine Blaupausen mittlerweile den chinesischen Ingenieuren relativ gute Arbeitsgrundlagen bieten.

Nun aber zum „hoffnungsvollen“ Kandidaten Indien. Auf den ersten Blick bietet das Land exzellente Bedingungen. Eine junge, riesige Bevölkerung. Universitäten mit weltweit hohen Reputationen und die weltweit größte Demokratie.
Die Realität, der ich hier aber jeden Tag ausgesetzt bin, scheint etwas anderes auszusagen. Auch wenn das Kastensystem von staatlicher Seite nicht mehr gewollt ist und man versucht es zu bekämpfen - es bleibt im alltäglichen Leben unübersehbar. Wenn man die Massen sieht, die scheinbar keiner Beschäftigung nachzugehen scheinen. Wenn ich die alltägliche Armut sehe, die hier herrscht, dann frage ich mich wie man es schaffen möchte, einen Weg zu finden, der aus dieser misslichen Lage herausführt.
Angestoßen zu diesen Gedanken hat mich meine gestrige Fahrt mit Arun zu meinem ersten Treffen mit einem recht großen Papier-Trader. Auf dem Weg fuhren wir über den muslimischen Teil des Chawri Bazaar. Auffallend war das dreckige und von Kindern gesäumte "Ambiente". Keiner der dort ansässigen Läden schien eine geordnete Geschäftsstruktur zu haben. Die Halal-Schlachter standen in der heißesten Sonne mit ihrer Fleischauslage, die schwarz von Fliegen war. Auf meine Frage, ob man den Moslems einen Geschäftszweig zuordnen könne (im Papierhandel sind zum Beispiel überwiegend Hindus und ein paar Sikhs tätig), entgegnete Arun nur: “The only thing the Muslims are qualified of is getting a lot of children. Furthermore they do not educate them. “
Dass aufgrund der geschichtlichen Hintergründe der Stadt Delhi ein gewisses zwiespältiges Verhältnis zwischen Moslems und Hindus/Sikhs nachzuvollziehen ist sei dahingestellt. Schließlich ist die kämpfende Einheit der Sikhs erst aus den Fehden zwischen Hindus und Moslems vor hunderten von Jahren hervorgekommen, als einige Teile der Hindus merkten: Mensch, wenn wir unserer Philosophie folgen und keinerlei Gewalt anwenden – nicht einmal im Verteidigungsfall, dann werden wir unsere Besatzer, die Moslems, nie los.
Wie schon erwähnt ist dieses hunderte Jahre her. Trotz alledem ist die Abneigung beider Gruppen füreinander tief verwurzelt und endet leider nur allzu oft in terroristischen Akten der muslimischen Seite. Die hinduistische Seite äußert sich zwar nicht durch direkte Gewaltakte, aber trägt ihren Teil zum immer noch währenden Konflikt durch Unterdrückung bei. Sollten beide Seiten hier nicht auf einander zukommen, behindern sie ein ganzes Land, oder zumindest weite Teile daran das zu werden, was viele Wirtschaftsweise prophezeien – eine durch gesellschaftliche Stabilität geprägte Wirtschaftsmacht.

Freitag, 7. September 2007

Des Vaters Name

Eine sehr bedeutende Rolle in der indischen Gesellschaft zählt wie eh und je der Kastenzugehörigkeit.
Sollte man in Indien in ein Hotel einchecken, einen Mobilfunkvertrag abschließen oder sonstige schriftlich Dinge erledigen, ist vor allen eines wichtig: Der Name des Vaters.
Ich musste ihn bisher dreimal nennen und das kam heraus:
1) Rain Hart Schonfelder
2) Renherd Schonfelder
3) Schoenfelder Rein
Erwähnen möchte ich, dass diese Kreationen trotz meiner glasklar formulierten Buchstabierung Zustande gekommen sind. Wer es bis jetzt noch nicht erraten hat: Mein Vater heißt Reinhard Schönfelder.
Leider konnte niemand diesem Namen eine Kaste zuordnen. Wer hätte das gedacht? Aber bei Schönfelder wäre ich wohl nicht über eine Bauernkaste hinaus gekommen.

लंच इन देल्ही (Lunch in Delhi)

Ein weiteres bis dato alltägliches Highlight ist das Mittagessen. Nachdem ich gebeten habe mich in die weite Welt der indischen Küche einzuführen, gibt es zum Lunch allerlei Variationen der vegetarischen Spezialitäten Indiens. Alles schmeckte bisher faszinierend gut und ich vermisse mein geliebtes Rump-Steak bisher nicht annähernd. Es schmeckt mir sogar so gut, dass ich immer als letzter von den Dreien fertig bin, die ihr essen serviert bekommen. Die beiden Geschäftsführer und ich sitzen dann im Büro und bekommen mehrere Schälchen, die wir dann mit den verschiedenen, gemeinschaftlichen Variationen befüllen. Nachdem ich Arun aufgeklärt hatte, dass meine Oma Cäcilie Bedenken, ob der hier vorherrschenden Nahrung geäußert hatte, kann ich hiermit in Aruns Namen versichern: Ich werde garantiert nicht ein Gramm ambnehmen - auch nicht durch vegetarische Ernährung.

Was fürs Auge!

Namaste!

Auch von Fotos sollt ihr nicht verschont bleiben. Zurzeit sieht es noch ein bisschen mau aus, ich gelobe aber Besserung.

http://www.flickr.com/photos/livefromdelhi/

Succhi the Sikh

Meine erste "indische" Bekanntschaft machte ich in Succhi oder Suchramanonengong, ehrlich gesagt habe ich vergessen, wie dieser Herr mit vollem Namen hieß. Er sagte es mir zwar und ich versuchte mich auch in der Aussprache, aber nach dem x-ten Versuch sagte er schon: "Just call me Succhi." Vielleicht sollte ich erwähnen, dass er mich in der Hotellobby mit "Ah, ein junger Freund aus Deutschland" begrüßte. Succhi ist in Delhi geboren, aber in relativ jungen Jahren nach Tansania gezogen, wo sein Vater ein Handelshaus gegründet hatte. Nach einer relativ langen Zeit in Afrika zog es in nach Wolverhampton, wo er auch noch heute zusammen mit seinen beiden Kindern und seiner Frau, seinem BMW X5, einem VW Passat und einem VW Golf residiert. Der aufmerksame Leser bemerkt vielleicht, dass Succhi eine ausgiebige Affinität zum Auto Marke Deutschland hat. Succhi ist ein Sikh. Sikhism ist eine Sekte des Hinduismus. Wer jetzt bei Sekte "die Jungs und Mädels, die einen Sonntagsmorgens aus dem Schlaf klingeln und den Wachtturm in der Hand halten" erwartet, liegt falsch. Sikhs sind die Kämpfer, die aus der absolut friedlichen Religion der Hindus hervorgekommen sind. Sie waren ein notwendiges "Übel" und sie verteidigten den Norden Indiens gegen die immer wieder einfallenden muslimischen Mächte. Hier liegt auch die Betonung. Sie dürfen sich verteidigen, aber Gewalt unter keinen Umständen aus eigenem Antrieb anwenden. Somit sind sie die Bundeswehr der Hindus.
Sikhs tragen eine Art Turban, der notwendig ist ihre Haarpracht im Zaum zu halten. Ihnen ist es nämlich verboten sich ihr Leben lang die Haare zu schneiden und diese zu binden. Das gleiche gilt für ihren Bart (hier, sowie beim Alkohol scheint das Ganze mitunter eine Auslegungssache zu sein). Außerdem müssen sie bstimmte Armreife tragen. Sehr lustig ist das Bild, das sich jeden morgen ereignet, wenn die Sikh-Männer ihre Bärte formen wollen. Dann tragen sie nämlich eine Schlaufe um Wangen und Turban. Das Ganze sieht sehr ulkig aus und zumindest ich dachte die ersten Male, dass eine Menge Sikhs häufig Zahnschmerzen haben. Junge Sikhs tragen im Übrigen eine Kopfbedeckung, die eine Haarpracht durch eine Beule in der Stirngegend imitiert.
Succhi lud mich auf ein Paar Drinks ein und erzählte aus seinem Leben, war aber auch sehr daran interessiert, die neuesten Ereignisse aus Deutschland zu erfahren, da er hier auch schon geschäftlich zu tun hatte, was auch seine kleinen Deutschkenntnisse erklärt.
Ein wahrlich netter und weltoffener Zeitgenosse.

Donnerstag, 6. September 2007

In eigener Sache.

Ich bin relativ häufig gefragt worden, ob es denn erlaubt sei auch das geschriebene zu kommentierten.
Hier die Antwort: Ja, ich bitte darum. Kritik ist natürlich nur erlaubt, wenn sie von mir als positiv gewertet wird.
Aber immer daran denken: Alles wird veröffentlicht.

Die neue Hütte im neuen Hood

Heute Vormittag bin ich dann auch endlich umgezogen. Ich wohne jetzt wesentlich zentraler in der Nähe des Connaught Place und in einem größeren Zimmer. Meine alte Bleibe war zwar auch in Ordnung, aber nur bis Arun mir erzählte, dass diese 1.650,- Rs.(1 EUR = ca. 50 Rs.). am Tag kosten würde. Auf den Monat gerechnet zu einem Kurs USD/EUR von 1,36 wären wir bei stolzen 1.350,- USD im Monat. Da schlackern einem schon die Ohren, wenn man quasi seine eigene Kostenstelle hat und dieses Geld ja auch irgendwie verdienen soll.
Außerdem hatte die alte Bleibe keinen Internet-Anschluss, was bei mir schon am Anfang sauer aufgestoßen ist.
Heute Vormittag hat es in der neuen Hütte mit der Verbindung zwar noch nicht geklappt, aber hier dauert das dann eben ein wenig länger. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, das Frühstück und die zwei Flaschen Wasser, die ich inklusive habe werden mich aufs Erste ablenken.

Sehr amüsant, zumindest für mich, war der erste Weg vom Büro zum Hotel mit dem Fahrrad-Rikshaw. Arun und ich hatten es sich auf dem Gefährt „bequem“ gemacht und wurden in Delhis Rush-Hour leicht stockend durch die Massen chauffiert.
Der Fahrer hatte unter unserem Gewicht schon arg zu kämpfen: UND DANN KAM DER BERG. Todesmutig versuchte der ca. 45 kg schwere Fahrer jenen zu erklimmen, als es aber eher rückwärts als vorwärts ging, entschied er sich lieber zu schieben. Ich war schon dabei abzusteigen und ein wenig mit zu helfen, als Arun mich mit einem schroffen „We paid for it“ wieder auf die Rikshaw nötigte.

Wer Nervenkitzel haben möchte sollte dieses unbedingt mal ausprobieren. Bungee Jumping kann schließlich jeder. Das klapprige Gefährt in Kombination mit den immensen Schlaglöchern und den deutlich stärkeren Kraftfahrzeugen und unberechenbaren Kühen lassen das Herz eines jeden Adrenalien-Junkies höher schlagen.