Mittwoch, 26. September 2007

Die neuen Familienmitglieder

Dass das Wort Gastfreundschaft in Indien einen weitaus höheren Stellenwert hat als in unseren Gefilden haben Leonie und ich nun auch am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Aber ersteinmal die Vorgeschichte:
Ich traf mich mit Rajesh, um die Möglichkeiten gemeinsamer geschäftlicher Aktivitäten in der Zukunft abzuwägen. Rajesh ist einer der vielen Schwäger von Prem Kishan Gupta, meinem "Mentor".
Unser Geschäftsgespräch schwang relativ zügig auf meine bisherigen Erfahrungen hier in Delhi um und ich beschwerte mich über das schwache Nachtleben meiner derzeitigen Wahlheimat. Rajesh intervenierte sofort und lud mich umgehend auf eine kleine Besichtigungs- und Kneipentour ein. Da Inder geschäftlich viel ohne jeglichen Wahrheitsgehalt reden, nahm ich diese Einladung natürlich an, rechnete aber nicht damit, dass ein solchartiger Abend wirklich stattfinden würde.
Am nächsten Tag musste ich noch einmal geschäftlich mit ihm telefonieren und Rajesh lud Leonie und Michelle (von denen ich ihm erzählt hatte) und mich tatsächlich zu einem gemeinsamen Abend mit seiner Frau Sangeeta ein.


Die beiden holten uns in ihrem Suzuki (die Inder stehen auf Reisbrenner), der auf arktische Temperaturen abgekühlt war, ab. Schon in den ersten Minuten stellte ich mir die folgende Frage: Wenn Frauen angeblich viel reden, was ist Sangeeta dann? Auf jeden Fall ist Sangeeta das Überwesen der Vielredner.
Begleitet von ständigem Gebrabbel besichtigten wir erst das India Gate.

Dieses ist ein 42 m hoher, ca 20 m breiter und 15 m tiefer Bau im Zentrum Delhis. Er ähnelt dem Arc de Triomphe in Paris. In seinem Inneren brennt eine ewige Flamme, die zusammen mit den in den Bogen eingemeißelten Namen an alle in Kriegen gefallenen Soldaten Indiens erinnern soll. Man stelle sich vor so etwas gäbe es in Deutschland. Bei dessen kriegerischer Vergangenheit müssten wohl die Zwillingstürme in Kuala Lumpur als Gedenkstätte herhalten.
Direkt nach dem Delhi Gate ging es an die Pforten der präsidialen Unterkunft und der verschiedenen Ministerien sowie des Parlaments. Leider nur ein kurzer Moment, da aufgrund der andauernden Panikmache wegen der angeblichen Terrorgefahr eine nähere Erkundung nicht mehr gestattet ist und durch schwerbewaffnete Polizisten sichergestellt wird.
Nach unserer kurzen Besichtigungstour ging es weiter in das Blues. Eine Kneipe in der überwiegend Gidda-Mugge mit Getrommel gespielt wurde. An sich schon meine Musik, allerdings nicht in einer Lautstärke von 140 dB (wenn sich meine Jungs hier allerdings mal blicken lassen sollten, werden wir hier wohl den ein oder anderen Abend versacken und das tun was wir vermeintlich am besten können - Bier trinken). Leider scheinen die Inder durch das viele Hupen und den ständigen Verkehrslärm jegliches Gefühl für Lautstärke verloren zu haben. Folglich redeten alle wie ganz normal. Nur wir drei noch nicht eingenordeten hatten arge Probleme unsere eigenen Worte zu verstehen. Danach gingen wir noch in ein typisches indisches Restaurant, in dem es erlaubt ist seine eigene Getränke mitzubringen (Rajesh hatte zum Glück indischen Whisky mit - kann man trinken...). Das Essen war mit Verlaub gesagt gewöhnungsbedürftig. Für die Damen gab es Vegetarisches und Fisch, für mich und Rajesh Geflügel-Innereien (was ich glücklicherweise erst nach dem Essen herausfand). Auch das in meinem Tagebuch zu findende "Musik"-Video stammt von jenem Abend.
Der Abend war alles in allem sehr nett. Eines wurde mir aber auch klar. Das "verheiratet werden" von Frauen ist in Indien auch in der heutigen Zeit die Regel. Zumindest Sangeeta äußerte ihren Unmut darüber mit Kommentaren wie: "In India you first get married - then you fall in love".
Erwähnenswert bleibt aber trotzdem eines: Auf der Hochzeit der beiden waren mal eben 10.000 Gäste und sie dauerte 6 Tage. Eigentlich sind die Kosten eines so gigantischen Festes durch die Eltern der Braut zu tragen, aber hier sprang Prem großzügig ein.
Leonie und ich sind jetzt zumindest so etwas wie passive Mitglieder der Familie. Wir sind jederzeit willkommen und könnten jegliche Hilfe von beiden in Anspruch nehmen. Außerdem wollen die beiden mit uns immer alles zusammen machen - mitunter schwierig...

Der vermeintlich schlaue Motor-Rikshaw-Fahrer

Ist man als augenscheinlicher Tourist in Delhi unterwegs wird man immer und überall übers Ohr gehauen. Am häufigsten passiert dieses, wenn man mit der Rikshaw unterwegs ist. Für Strecken, die ich schon kenne, weiß ich in etwa, was ich zu zahlen habe.Da ich mich mit Leonie zurzeit aber nach einer neuen Bleibe umschaue respektive weiter entfernte Sehenswürdigkeiten begutachte, lege ich mitunter auch Strecken zurück, die ich zwar auf der Karte ausfindig machen kann, allerdings ist die Karte des Lonely Planet nicht allzu ausführlich und es fällt somit schwer realistische Preise abzuwägen.
Auf Kurzstrecken versuchten wir zum Anfang Festpreise auszuhandeln - da wir die Strecken mittlerweile kennen, lassen wir immer öfter nach zähen Verhandlungen das Taximeter laufen. Das klappt auch ganz gut und außerdem hat es uns zu verstehen gegeben, dass wir mit unseren bisher ausgehandelten Preisen auf den kürzeren Strecken mindestens 20 - 30 % Touristenzuschlag berappen durften.
Nun wollten wir auch auf den "Langstrecken" von vielleicht 9 - 10 km (in der immer währenden Hauptverkehrszeit in Delhi nimmt diese Strecke im Motorvehikel in etwa 45-55 Minuten ein) das Taximeter laufen lassen. Uns Füchsen war natürlich schon vorher bewusst, dass wir bei einem sofort bereitwilligen Fahrer auf der Hut sein mussten. Es dauerte nich allzu lange und wir hatten einen vermeintlich kostengünstigen Fahrer gefunden, der sofort das Taximeter in Betrieb setzte und sogleich begann die abenteuerlichsten und schönsten Umwege durch Delhi zu fahren. Wir ließen ihn nur zu gerne gewähren, da wir so eine kostenfreie Besichtigungstour geboten bekamen. Außerdem bewegte sich das Taximeter um nicht eine Rupie, da es defekt war. Der Fahrer hatte ein riesen Dollarzeichen in den Augen und ich konnte mir ein leichtes Schmunzeln natürlich nicht verkneifen. Der schönste Moment war die Ankunft am Ziel. Der Rikshaw-Fahrer hatte schon erhöhten Speichelfluss ob der erwarteten erschummelten Reichtümer. Noch weitaus schöner war dann das enttäuschte Gesicht, als er sein Taximeter mit dem aussagekräftigen 0,00 Rs. auf dem Bildschirm erspähte.
Aber wir waren/sind ja keine Unmenschen und haben ihm einen gerechten Preis gezahlt, allerdings inklusive eines hämischen Grinsens.

Sonntag, 23. September 2007

Der Pups-Drink

Auch in einem Land wie Indien gibt es Pizza Hut. Zwar ist die Speisekarte eher auf die vegetarisch „lebenden“ Hindus abgestimmt, aber die Pizzas (Word sagt, dass der Plural von Pizza nicht Pizzen ist – ich glaube den Jungs von Microsoft jetzt einfach mal) schmecken extrem gut. Allerdings sollte man von der Order eines „refreshing Massala Lemon Drinks“ absehen. Auf den ersten Blick sieht dieses Getränk wirklich trügerisch erfrischend aus – bis die Nase in die Nähe der grünlichen Flüssigkeit kommt. Ein Gemisch aus Schwefel und Methan steigt in die Nase und nimmt einem schon vor dem ersten Schluck die Lust auf eben diesen und aufs Atmen generell. Der Schluck wird nicht unbedingt besser.
Zur Aufklärung:
Der gemeine Inder liebt es die schönsten Getränke auf seine Art zu modifizieren. So sollte man in jedem Restaurant zum bestellten Orangensaft ein „sweet“ hinzufügen. Sonst kommt das bestellte Erfrischungsgetränk nämlich mit Salz gemischt. Eine Geschmackserfahrung der besonderen Art, wenn man ein Erfrischungsgetränk im europäischen Sinne erwartet.
Das besagte Getränk bei Pizza Hut war dann mit einer Massala-Gewürzmischung zubereitet. Diese enthält dann unter anderem Knoblauch – eine Nahtoderfahrung. Fazit: Fieses Zeug. Zwanzig Euro für den, der ein ganzes Glas schafft

Montag, 17. September 2007

Die Frau und die Kuh

Dass Kühe ein gemeinläufiges Bild auf den Straßen Delhis sind, brauche ich ja nicht mehr zu erwähnen. Die nachfolgend geschilderte Szenerie sollte aber auch auf den chaotischsten Straßen der Welt (wer meint, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne → Lufthansa HH – Delhi ca. EUR 549,-) ein recht seltenes Bild ergeben.
Jeder der mich nur ein bisschen kennt sollte langsam wissen, dass ich mich nur allzu gerne der Schadenfreude hingebe – das folgende zauberte mir das breiteste Grinsen der letzten Tage auf mein Gesicht.
Es begab sich zu der Zeit, dass ich auf dem Weg zum Büro auf der Fahrrad-Rikshaw inmitten von Smog, Autos, Motorrollern und sonstigen, in Europa nicht aufzufindenden, Gefährten saß.
Unter den Verkehrsteilnehmern waren auch eine Kuh und ein Motorroller samt Ehepaar. Der Mann hatte sich der Horroraufgabe des Fahrers verschrieben und die Frau war in ihrer Naivität auf dem Beifahrersitz zu finden.
Die Kuh fühlte sich augenscheinlich im dichten Straßenverkehr nicht allzu wohl, denn sie lief in ihrer zugestandenen, kleinen Pazelle recht nervös auf und ab.
Die letzte Position, die sie nach mehreren Schlägen durch ihren Eigentümer, einnahm war direkt neben der Frau auf dem Motorroller. Und zwar direkt mit der Unangenehmen Seite auf die Frau gerichtet.
Aus dem Gesichtsausdruck der Frau las ich schnell eine gewisse Unzufriedenheit mit der Situation, die sich ergeben hatte. Wer schaut schon gerne mit einem Abstand von vielleicht zwanzig Zentimetern in den Auspuff einer Kuh.
Wie ich eingangs schon erwähnte bin ich manchmal sehr schadenfroh und so war ich es auch dieses Mal. Wer jetzt erahnen kann, was ich mir insgeheim in diesem Moment wünschte, ist ebenso schadenfroh und kann sich mal bitte ein bisschen mit Kritik zurückhalten.
Und es geschah…
Auf einmal vernahm ich nur ein leichtes Kreischen und die Frau versuchte mit allen Mitteln, der sich auf ihren Sari ergießenden Fäkalien zu erwehren.
Hatte der Sari zum Beginn der Szene noch eine gelbliche Farbe, so war er nun zumindest auf einer Seite in leichten Brauntönen gehalten. Erst der Besitzer der Kuh konnte Abhilfe schaffen, allerdings auch mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht.
Zum Glück nahm der Verkehr wieder seinen Lauf und die Frau konnte zumindest das Lachen des Rikshaw-Fahrers und meiner Person nicht mehr vernehmen. Man was habe ich gelacht.

Situationskomik at it’s best.

Der 1. Besuch und die erste Krankheit

Am Donnerstag, den 13.09. war es dann auch endlich so weit. Leonie stattet mir einen fünfwöchigen Besuch ab und wird versuchen eines ihrer Wunschreiseziele zu erkunden. So weit so gut.
Ich für meinen Teil habe mir dann auch recht passend am Mittwoch Fieber und einen schönen Schnupfen als Begrüßung ausgedacht. Man sollte halt die Klimaanlage des Nachts nicht allzu kalt laufen lassen und vor allem NICHT darauf bauen, dass sie wie die Tage bisher aufgrund des Stromausfalls in den frühen Morgenstunden eh den Geist aufgibt.
Diese Nacht hatten die Kraftwerke wohl einen Raummeter mehr Holz bekommen und liefen die gesamte Nacht durch. Daraus resultierte dann wohl auch die Sommergrippe.
Aber ich schlauer Mensch hatte ja die 36er Packung Tempo Plus Packung mitgenommen und hatte somit nicht eine Sekunde mit einem wunden Näschen zu kämpfen.
Daher: Leute kauft nur und ausschließlich TEMPO Plus, denn nur Tempo Plus lässt die Nase heil und scheffelt meiner Firma aufgrund der Rohstofflieferungen an Procter & Gamble eine Menge Kohle in die Tasche. Außerdem weiß ich als Hausstauballergiker Bescheid, was den Papiertaschentuchmarkt Deutschlands angeht.

Na ja auf jeden Fall machte ich mich am Donnerstag dann auf in Richtung Indira Gandhi Airport um zu schauen wer da denn so alles aus BA-Flug 143 aus London aussteigt. Leider konnte ich mit keinem schönen Namensschildchen aufwarten, aber zumindest hatte ich ja meinen Schnupfen zur Begrüßung.

Schön ist übrigens, dass sich die geschäftstüchtigen Inder auch für den international ankommenden Flugverkehr ihre kleine Abzocke ausgedacht haben. Eintritt zum Flughafen ist nur gegen einen kleinen Obolus von Rs. 60,- möglich. Aber was man nicht alles tut, um die Freundin in die Arme schließen und anstecken zu können. Aus dem Flughafen heraus kommt man dann aber immerhin doch umsonst.

Gesagt getan. Nachdem ich mich bereits am Freitagmorgen unaufhaltsam auf dem Weg der Besserung befand, hatte Leonie gleich mit dreierlei Krankheit zu kämpfen: Schnupfen, Bronchitis und Zahnschmerzen. Zumindest bin ich mir aber bei der Nummer drei sicher, dass ich nicht annähernd schuldig bin.
Zumindest habe ich jetzt aber das indische Apothekensystem ein wenig erkundschaften können.
Denn von schlechtem Gewissen getrieben hat Ritter Andreas sich aufgemacht um den Drachen Schnupfen und Bronchitis in Form von Medikamenten beizukommen.
Die Apotheken sind Tante Emma Läden mit einer für den Laien nicht überschaubaren Menge an Packungen. Regiert wird dieses Reich von Apotheker und Lakai. Ich schilderte dem Apotheker das Krankheitsbild und bekam auch hier wieder den Geschäftssinn des indischen Volkes – ja auch der Pharmazeuten – zu spüren.
„Sir, do you have a cold?“ Das konnte ich ja nun mit meiner um drei oktaven tieferen und sehr nasalen Stimme nicht verneinen und hatte dann zusätzlich zum widerlich schmeckenden Hustensaft (ja, ich habe ihn auch probiert, weil er so gut roch…) Tabletten gegen Schnupfen und ein Antibiotikum im Einkaufsbeutel. Witzig ist, dass der Apotheker direkt dosiert – soll heißen, dass er mir keine ganze Packung gab, sondern die Anzahl der „verschriebenen“ Pillen aus der Packung schnitt. Somit werden in Indien niemals zu viele Pillen verordnet. Keine in der Mülltonne landenden, nicht verwendeten Restbestände mehr. Vorbildlich. Ich werde das mal Frau Schmidt vorschlagen. Vielleicht sitze ich dann ja auch bald als Beauftragter für das Gesundheitswesen im Bundestag. Dass die Damen und Herren Bundestagsabgeordnete sich gerne Laien als Experten in das Boot holen, ist ja nun nichts Neues.


Das Antibiotikum werde ich natürlich nicht nehmen und die restlichen Tabletten hebe ich mir für schwerverschnupfte Zeiten auf. Ich bevorzuge nämlich eher den Heilschlaf und bin dieses Mal wieder sehr gut mit dieser Variante gefahren.
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass ich für die Gesamtausstattung nicht mehr als Rs. 80 ausgeben musste.
Außerdem befindet sich nun auch der Besuch auf dem Weg der Besserung und kann jetzt endlich beginnen, den Rohtextilienmarkt der indischen Hauptstadt zu erkunden.
Für den immer noch schmerzenden Zahn habe ich sicherlich noch eine schwere Zimmertür und einen Bindfaden in der Hinterhand. Sollte ein gewisser Herr Backenzahn also zufällig diesen Text lesen, wäre für ihn zumindest die Überlegung gut, ob er nicht damit aufhören sollte weiterhin Schmerzen zu verursachen.

Mittwoch, 12. September 2007

Fotos auf Indisch

Heute möchte ich eine kleine Entschuldigung loswerden. Und zwar habe ich in letzter Zeit zwar einigermaßen viel geschrieben, aber bis dato nur drei mickrige Fotos in mein Online-Tagebuch integriert. Das ist natürlich nicht zu entschuldigen – das könnte man denken, wenn man noch nicht in Delhi zum Beispiel an der New Delhi Train Station unwissenderweise seinen Fotoapparat gezückt hätte…
Tja, ich habe es getan – nicht ahnend welche Folgen das Ganze haben würde.
Zur Erklärung: Der gemeine Inder ist solche technischen Errungenschaften noch nicht in dem Maße gewohnt, wie wir es vielleicht sind. Außerdem scheint er nicht nachvollziehen zu können, dass man so etwas völlig Normales wie eine Bahnstation ablichten möchte. Dass es für mich alles andere als normal ist, was man dort zu Gesicht bekommt, wissen die dort hin- und herwuselnden Menschen ja nicht.
Jeder WILL ein Bahn-Ticket an den absolut überfüllten Kartenschaltern erhaschen und niemand möchte warten. Eine große Parallele zum Straßenverkehr ist nicht zu leugnen, nur es wird nicht gehupt, sondern gerufen, gestikuliert und hin- und hergelaufen. Auch wenn der Vergleich von Mensch und Tier ein wenig schmerzt und anmaßend klingt. Es geht dort zu wie auf dem Ameisenhaufen.
Es gibt nur eine einzige Sache, die diese Masse ablenken kann – und da komme ich dann wieder ins Spiel.
Ich Depp stehe da und mache in der untergehenden Abendsonne mein Foto, um den fleißigen Blog-Lesern auch mal etwas Visuelles präsentieren zu können.
Leider schätzt die Kamera das Dämmerlicht eines Blitzes würdig ein und erregt somit ungewollt die Massen. Denn alle wollen auf einmal fotografiert werden, ob jung oder alt. Ich stehe dort wie die große Raupe, die von der Ameisenkolonie bei lebendigem verspeist wird.
Mir bleiben genau zwei Möglichkeiten:
1) Ein Gruppenfoto mit 2.000 Menschen, die während das Foto gemacht wird zumindest doch noch an die Option denken eine Zugfahrkarte zu ergattern, also nicht in letzter Instanz stehen bleiben
2) Pfeifen, unauffällig sein und die Kamera langsam in die Tasche gleiten lassen in der Hoffnung, dass der Mob denken könne der Blitz sei aus der Reflektion der Sonne und meiner „weißen“ Haut entstanden
Alles für die Katz. Und so mache ich ein paar Fotos von posierenden Teenagern. Als die nächste Gruppe interessierter Jugendlicher anrollt entschließe ich mich zum taktischen Rückzug und entschwinde in die Weiten des U-Bahn Systems, wo ich bis zum nächsten Frühjahr verharre.

Die einzige Chance in dieser Ecke eine Foto machen zu können ist ein wenig zu schrumpfen oder einfach eine liebe Person (nennen wir sie der ihr so wichtigen Anonymität halber L.C.Z. aus Henstedt-Ulzburg), als Fotografin einzusetzen. Sie wird wenigstens nicht ob ihrer Größe unter den mit Körpermaß nicht gerade großzügig gesegneten Indern auffallen. Und diese Person kommt nun auch schon morgen. Da wird vieles doch wesentlich leichter fallen. Danke für Deinen Besuch L.C.Z.!

Also immer daran denken: Gelernt habe ich eines: „Together the Ants will conquer the elephant“ und wenn es in der nächsten Zeit mehr Fotos gibt stammen sie aus einer anderen Perspektive.

Montag, 10. September 2007

Die Nuss, die Spucken lässt

Ein dauerndes Erscheinungsbild in den Straßen Delhis sind spuckende Männer, die eine rote, blutähnliche Flüssigkeit aus Bussen, einfach so gehend auf der Straße oder in Ecken spucken. Da die Flüssigkeit wie Blut aussieht und in relativ großen Mengen ausgespuckt wird, stellt sich einem dann schon mal die Frage, was es mit dieser Flüssigkeit auf sich hat. Das Gespuckte ist das Produkt aus Speichel und dem Fruchtfleisch der Betelnuss. Die Betelnuss wird aufgrund ihres starken Eigengeschmacks mit Kautabak und/oder anderen Zutaten gemischt und gekaut. Die rötliche Nuss regt den Speichelfluss an und wirkt in großen Mengen genossen etwas berauschend. Durch den starken Speichelfluss ist es dann auch nötig sich der Flüssigkeit ab und an zu entledigen.
Das sieht zwar nicht unbedingt appetitlich aus, scheint aber auf eine große Masse gewisse Reize auszuüben. Dass das Kauen der Betelnuss das Zahnfleisch sehr stark angreift scheint niemanden zu stören.
Ich für meinen Teil muss sagen, dass diese Frucht es mir ermöglicht hat ein wenig toleranter zu werden. Was ist hier denn los? Andreas und Toleranz - da kann was nicht stimmen.
Wenn ich in Hamburg noch jeden Halbwüchsigen, der einen "dicken Gelben" auf den U-Bahn-Stationsboden verbrachte am liebsten auf die Gleise geschubst hätte, stört mich das hier in Delhi schon überhaupt nicht mehr. Hier kann ich mich dann einfach weiter in meiner zweiten Domäne üben - der Ignoranz.

Die Plastikklingel

Auch witzig ist das Verhalten führungspositionsinnehabender Großstädtler zur Arbeitszeit. Sollte einer der Bürohäuptlinge etwas von seinen Untertanen wollen, ruft er ihn nicht heran. Nein, das Ganze wird durch den Griff zur eigens dafür auf dem Tisch angebrachten roten Siebzigerjahreklingel geregelt. Diese wird gedrückt und schon eilt der Lakai heran.
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass das Büro in etwa dreißig +/- fünf Quadratmeter groß ist. Hier wäre ein direkter Ruf nach der gewünschten Person eventuell sinnvoller und würde bei mir und anderen nicht immer einen Fast-Herzstillstand auslösen. Aber auch das werde ich überleben. So sind sie die Kleinen.

Das Handeln als fester Teil der indischen Geschäftskultur

Ob nun der Rikshaw-Fahrer oder der Händler auf dem Basar. Alle "geschäftstätigen" Menschen in Delhi sehen natürlich, dass ich ein vermeintlich wohlhabender Westweltler bin. Das sich dieser Eindruck eigentlich immer auf die Preise, die ich bei jeglicher Dienstleistung zu zahlen habe, auswirkt, kann ich diesen Menschen nicht mal übel nehmen. Ich bin ja schließlich selbst ein Handlungsreisender, der eben diese Geschäftstaktik hier noch mehr verinnerlichen soll.
Witzig ist allein der Fakt, dass das Handeln hier immer auf die gleiche Art und Weise abzulaufen scheint.
Beispiel gestern. Tatort Palika Bazaar. Ich habe einen kleinen Shopping-Ausflug mit meiner deutschen Bekanntschaft Michelle gemacht, die hier allerdings nicht zum Arbeitszweck verweilt, sondern ihre Lorbeeren im Studienfach "Social Work" sammelt.
Der Palika Bazaar ist ein direkt am Connaught Place (also im Zentrum) unterirdisch gelegener Basar, der überwiegend Plagiate feilbietet. Meine Aufmerksamkeit sollte sich an diesem Tage besonders auf DVD's und Unterhaltungselektronika generell richten. Besonders die Staffeln eins und zwei der amerikanischen Erfolgsserie "Prison Break" standen auf meinem Einkaufszettel. Da unser Äußerliches eine unglaubliche Zahlungskraft zu suggerieren scheint, wurden wir von den Verkäufern regelrecht in die kleinen, dort ansässigen, Läden hineingestikuliert. Schon bald wurde ich fündig und der Verkäufer bot mir einen Preis von 1.200,- Rupees (in etwa EUR 24,- für 12 DVD's). Ich erwähnte, dass der mir offerierte Preis wesentlich zu hoch sei und drehte mich um, den Ausgang des Geschäftes fest vor Augen. Ich kam nicht allzu weit, da ich direkt zum Gegengebot aufgefordert wurde. Ich sagte im Scherz "500,- Rupees" und war dann doch überrascht, als der Verkäufer mit "Okay with 600,- im fine" konterte. Schlußendlich zahlte ich 500,- Rupees (zehn Euro) und bin mir immer noch relativ sicher über's Ohr gehauen worden zu sein. Aber meinem Motto als Kaufmann "Leben und leben lassen" bin ich gefolgt.
Was lehrt mich aber diese Geschichte?
1. Biete immer weniger als die Hälfte des angebotenen Preises
2. Der Verkäufer wird Dich entgeistert angucken und "no" oder "nahi" sagen
3. Du wirst Dich umdrehen und versuchen herauszugehen (die Kür und der wichtigste Teil ist dabei so ernst wie möglich auszusehen - denn Du weißt, dass gleich Schritt 4 kommt)
4. Der Verkäufer ruft Dich zurück und wird ein Gegengebot machen, das in der Nähe Deines Wunschpreises liegt
5. Du beharrst auf Deinem Preis und bekommst ihn
6. Beide sind glücklich
(ausführlicher geschilderte Tipps werden bald im gut sortierten Buchhandel unter "Handeln - 6 Tipps zum Erfolg" zu finden sein)

Samstag, 8. September 2007

Indien und China - Die neuen Weltmächte? Amended.

Oft wird bei der Frage nach der neuen Ökonomie-Weltmacht direkt hinter der Volksrepublik China Indien als hoffnungsvoller Kandidat genannt. Schon in wenigen Jahren sollen die bisher dominierenden Volkswirtschaften USA, die Bundesrepublik Deutschland und Japan von ihren hohen Rössern gestürzt werden. Mein bisher bescheidener Einblick in die indische Welt besagt etwas anderes.

Aber erstmal möchte ich das "hoffnungsvolle" China als Topanwärter herauskegeln. Neueste Berichte von Naturkatastrophen und Produktionsausfällen durch das hoffnungslos überlastete Stromnetz, lassen jeden aufmerksamen Leser einschlägiger Tageszeitungen doch an den immens positiven, immer wieder veröffentlichten Statistiken, zweifeln. Wenn in der bedeutenden Lebensader Jangtse fast täglich Tierarten für immer verschwinden und der hochgelobte Drei-Schluchten-Staudamm eine Flutkatastrophe nach der anderen heraufbeschwört, dann bleibt es nur eine Frage der Zeit bis die riesige Masse der Landbevölkerung, die bisher nichts vom wirtschaftlichen Aufschwung zu spüren bekommen hat, ihrer Lebenselexire Wasser und fruchtbaren Boden beraubt wird. Wie die regierende KP ein solch massives Problem lösen möchte bleibt abzuwarten. Vielleicht waren die Ereignisse am Platz des himmlischen Friedens im Jahre 1989 nur der Anfang, um sich der Proteste des nicht zu bändigenden Mob zu entledigen.

Bleibt die unbestrittene, immer weiter wachsende Handelsmacht China. Auch hier scheint nicht alles so rosig zu sein, wie die Statistiken aussagen. Denn immer neue Rückrufe, wie z.B. in der letzten Zeit vonm Spielwarenhersteller Mattel, sensibilisieren den Käufer auf kurz oder lang. Denn ein paar Euro mehr zu investieren, wenn man damit das Risiko schmälert sich eines nicht einzuschätzenden Krebsrisikos auszusetzen, wird in der Zukunft in vielen Köpfen eine Überlegung wert sein.

Auch wenn auf der letzten Automesse in Peking eine gewisse Ähnlichkeit der chinesischen Fahrzeuge zu den KFZ auf deutschlands Straßen nicht zu leugnen ist, wird auch irgendwann ein Herr Pitschesrieder auf den Gedanken kommen, dass er zwar Milliarden investiert und dafür günstig produziert hat, aber seine Blaupausen mittlerweile den chinesischen Ingenieuren relativ gute Arbeitsgrundlagen bieten.

Nun aber zum „hoffnungsvollen“ Kandidaten Indien. Auf den ersten Blick bietet das Land exzellente Bedingungen. Eine junge, riesige Bevölkerung. Universitäten mit weltweit hohen Reputationen und die weltweit größte Demokratie.
Die Realität, der ich hier aber jeden Tag ausgesetzt bin, scheint etwas anderes auszusagen. Auch wenn das Kastensystem von staatlicher Seite nicht mehr gewollt ist und man versucht es zu bekämpfen - es bleibt im alltäglichen Leben unübersehbar. Wenn man die Massen sieht, die scheinbar keiner Beschäftigung nachzugehen scheinen. Wenn ich die alltägliche Armut sehe, die hier herrscht, dann frage ich mich wie man es schaffen möchte, einen Weg zu finden, der aus dieser misslichen Lage herausführt.
Angestoßen zu diesen Gedanken hat mich meine gestrige Fahrt mit Arun zu meinem ersten Treffen mit einem recht großen Papier-Trader. Auf dem Weg fuhren wir über den muslimischen Teil des Chawri Bazaar. Auffallend war das dreckige und von Kindern gesäumte "Ambiente". Keiner der dort ansässigen Läden schien eine geordnete Geschäftsstruktur zu haben. Die Halal-Schlachter standen in der heißesten Sonne mit ihrer Fleischauslage, die schwarz von Fliegen war. Auf meine Frage, ob man den Moslems einen Geschäftszweig zuordnen könne (im Papierhandel sind zum Beispiel überwiegend Hindus und ein paar Sikhs tätig), entgegnete Arun nur: “The only thing the Muslims are qualified of is getting a lot of children. Furthermore they do not educate them. “
Dass aufgrund der geschichtlichen Hintergründe der Stadt Delhi ein gewisses zwiespältiges Verhältnis zwischen Moslems und Hindus/Sikhs nachzuvollziehen ist sei dahingestellt. Schließlich ist die kämpfende Einheit der Sikhs erst aus den Fehden zwischen Hindus und Moslems vor hunderten von Jahren hervorgekommen, als einige Teile der Hindus merkten: Mensch, wenn wir unserer Philosophie folgen und keinerlei Gewalt anwenden – nicht einmal im Verteidigungsfall, dann werden wir unsere Besatzer, die Moslems, nie los.
Wie schon erwähnt ist dieses hunderte Jahre her. Trotz alledem ist die Abneigung beider Gruppen füreinander tief verwurzelt und endet leider nur allzu oft in terroristischen Akten der muslimischen Seite. Die hinduistische Seite äußert sich zwar nicht durch direkte Gewaltakte, aber trägt ihren Teil zum immer noch währenden Konflikt durch Unterdrückung bei. Sollten beide Seiten hier nicht auf einander zukommen, behindern sie ein ganzes Land, oder zumindest weite Teile daran das zu werden, was viele Wirtschaftsweise prophezeien – eine durch gesellschaftliche Stabilität geprägte Wirtschaftsmacht.

Freitag, 7. September 2007

Des Vaters Name

Eine sehr bedeutende Rolle in der indischen Gesellschaft zählt wie eh und je der Kastenzugehörigkeit.
Sollte man in Indien in ein Hotel einchecken, einen Mobilfunkvertrag abschließen oder sonstige schriftlich Dinge erledigen, ist vor allen eines wichtig: Der Name des Vaters.
Ich musste ihn bisher dreimal nennen und das kam heraus:
1) Rain Hart Schonfelder
2) Renherd Schonfelder
3) Schoenfelder Rein
Erwähnen möchte ich, dass diese Kreationen trotz meiner glasklar formulierten Buchstabierung Zustande gekommen sind. Wer es bis jetzt noch nicht erraten hat: Mein Vater heißt Reinhard Schönfelder.
Leider konnte niemand diesem Namen eine Kaste zuordnen. Wer hätte das gedacht? Aber bei Schönfelder wäre ich wohl nicht über eine Bauernkaste hinaus gekommen.

लंच इन देल्ही (Lunch in Delhi)

Ein weiteres bis dato alltägliches Highlight ist das Mittagessen. Nachdem ich gebeten habe mich in die weite Welt der indischen Küche einzuführen, gibt es zum Lunch allerlei Variationen der vegetarischen Spezialitäten Indiens. Alles schmeckte bisher faszinierend gut und ich vermisse mein geliebtes Rump-Steak bisher nicht annähernd. Es schmeckt mir sogar so gut, dass ich immer als letzter von den Dreien fertig bin, die ihr essen serviert bekommen. Die beiden Geschäftsführer und ich sitzen dann im Büro und bekommen mehrere Schälchen, die wir dann mit den verschiedenen, gemeinschaftlichen Variationen befüllen. Nachdem ich Arun aufgeklärt hatte, dass meine Oma Cäcilie Bedenken, ob der hier vorherrschenden Nahrung geäußert hatte, kann ich hiermit in Aruns Namen versichern: Ich werde garantiert nicht ein Gramm ambnehmen - auch nicht durch vegetarische Ernährung.

Was fürs Auge!

Namaste!

Auch von Fotos sollt ihr nicht verschont bleiben. Zurzeit sieht es noch ein bisschen mau aus, ich gelobe aber Besserung.

http://www.flickr.com/photos/livefromdelhi/

Succhi the Sikh

Meine erste "indische" Bekanntschaft machte ich in Succhi oder Suchramanonengong, ehrlich gesagt habe ich vergessen, wie dieser Herr mit vollem Namen hieß. Er sagte es mir zwar und ich versuchte mich auch in der Aussprache, aber nach dem x-ten Versuch sagte er schon: "Just call me Succhi." Vielleicht sollte ich erwähnen, dass er mich in der Hotellobby mit "Ah, ein junger Freund aus Deutschland" begrüßte. Succhi ist in Delhi geboren, aber in relativ jungen Jahren nach Tansania gezogen, wo sein Vater ein Handelshaus gegründet hatte. Nach einer relativ langen Zeit in Afrika zog es in nach Wolverhampton, wo er auch noch heute zusammen mit seinen beiden Kindern und seiner Frau, seinem BMW X5, einem VW Passat und einem VW Golf residiert. Der aufmerksame Leser bemerkt vielleicht, dass Succhi eine ausgiebige Affinität zum Auto Marke Deutschland hat. Succhi ist ein Sikh. Sikhism ist eine Sekte des Hinduismus. Wer jetzt bei Sekte "die Jungs und Mädels, die einen Sonntagsmorgens aus dem Schlaf klingeln und den Wachtturm in der Hand halten" erwartet, liegt falsch. Sikhs sind die Kämpfer, die aus der absolut friedlichen Religion der Hindus hervorgekommen sind. Sie waren ein notwendiges "Übel" und sie verteidigten den Norden Indiens gegen die immer wieder einfallenden muslimischen Mächte. Hier liegt auch die Betonung. Sie dürfen sich verteidigen, aber Gewalt unter keinen Umständen aus eigenem Antrieb anwenden. Somit sind sie die Bundeswehr der Hindus.
Sikhs tragen eine Art Turban, der notwendig ist ihre Haarpracht im Zaum zu halten. Ihnen ist es nämlich verboten sich ihr Leben lang die Haare zu schneiden und diese zu binden. Das gleiche gilt für ihren Bart (hier, sowie beim Alkohol scheint das Ganze mitunter eine Auslegungssache zu sein). Außerdem müssen sie bstimmte Armreife tragen. Sehr lustig ist das Bild, das sich jeden morgen ereignet, wenn die Sikh-Männer ihre Bärte formen wollen. Dann tragen sie nämlich eine Schlaufe um Wangen und Turban. Das Ganze sieht sehr ulkig aus und zumindest ich dachte die ersten Male, dass eine Menge Sikhs häufig Zahnschmerzen haben. Junge Sikhs tragen im Übrigen eine Kopfbedeckung, die eine Haarpracht durch eine Beule in der Stirngegend imitiert.
Succhi lud mich auf ein Paar Drinks ein und erzählte aus seinem Leben, war aber auch sehr daran interessiert, die neuesten Ereignisse aus Deutschland zu erfahren, da er hier auch schon geschäftlich zu tun hatte, was auch seine kleinen Deutschkenntnisse erklärt.
Ein wahrlich netter und weltoffener Zeitgenosse.

Donnerstag, 6. September 2007

In eigener Sache.

Ich bin relativ häufig gefragt worden, ob es denn erlaubt sei auch das geschriebene zu kommentierten.
Hier die Antwort: Ja, ich bitte darum. Kritik ist natürlich nur erlaubt, wenn sie von mir als positiv gewertet wird.
Aber immer daran denken: Alles wird veröffentlicht.

Die neue Hütte im neuen Hood

Heute Vormittag bin ich dann auch endlich umgezogen. Ich wohne jetzt wesentlich zentraler in der Nähe des Connaught Place und in einem größeren Zimmer. Meine alte Bleibe war zwar auch in Ordnung, aber nur bis Arun mir erzählte, dass diese 1.650,- Rs.(1 EUR = ca. 50 Rs.). am Tag kosten würde. Auf den Monat gerechnet zu einem Kurs USD/EUR von 1,36 wären wir bei stolzen 1.350,- USD im Monat. Da schlackern einem schon die Ohren, wenn man quasi seine eigene Kostenstelle hat und dieses Geld ja auch irgendwie verdienen soll.
Außerdem hatte die alte Bleibe keinen Internet-Anschluss, was bei mir schon am Anfang sauer aufgestoßen ist.
Heute Vormittag hat es in der neuen Hütte mit der Verbindung zwar noch nicht geklappt, aber hier dauert das dann eben ein wenig länger. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, das Frühstück und die zwei Flaschen Wasser, die ich inklusive habe werden mich aufs Erste ablenken.

Sehr amüsant, zumindest für mich, war der erste Weg vom Büro zum Hotel mit dem Fahrrad-Rikshaw. Arun und ich hatten es sich auf dem Gefährt „bequem“ gemacht und wurden in Delhis Rush-Hour leicht stockend durch die Massen chauffiert.
Der Fahrer hatte unter unserem Gewicht schon arg zu kämpfen: UND DANN KAM DER BERG. Todesmutig versuchte der ca. 45 kg schwere Fahrer jenen zu erklimmen, als es aber eher rückwärts als vorwärts ging, entschied er sich lieber zu schieben. Ich war schon dabei abzusteigen und ein wenig mit zu helfen, als Arun mich mit einem schroffen „We paid for it“ wieder auf die Rikshaw nötigte.

Wer Nervenkitzel haben möchte sollte dieses unbedingt mal ausprobieren. Bungee Jumping kann schließlich jeder. Das klapprige Gefährt in Kombination mit den immensen Schlaglöchern und den deutlich stärkeren Kraftfahrzeugen und unberechenbaren Kühen lassen das Herz eines jeden Adrenalien-Junkies höher schlagen.

Der erste Arbeitstag

Nun endlich sollte es losgehen und ich hatte mich mit Arun um 10h an der Metro-Station Rajouri Garden verabredet. Ich machte mich also zu dieser doch recht moderaten Anfangszeit auf in Richtung Metro, als mir schon der aufgeregte Sicherheitsmann hinterhergehetzt kommt. Telephone, Telephone for you Sir. Also umgedreht, Wunder was sollte denn passiert sein. Arun war am Telefon und bat mich noch auf einen weiteren Anruf seinerseits zu warten, da er sich um zehn Minuten verspätet hätte.
Gesagt, getan.
Dreißig Minuten später konnte ich dann schließlich in Richtung Metro flanieren, umsäumt von Hunderten Menschen, Auto- und Fahrradrikschas und – ja es ist wirklich wahr – Kühen. Dann kam die hochmoderne, von Mitsubishi gebaute, Metro zum Vorschein. Ich muss nicht erwähnen, dass sie brechend voll war. Mit ein wenig Anlauf schaffte ich es dann auch herein und Arun entschuldigte sich für die „bad manners“ seiner Landsleute. In der Bahn war es dann erstaunlich kühl, aber verdammt eng.
Nach zweimal umsteigen kamen wir dann auch schließlich in die Nähe meines vorläufigen Arbeitsplatzes: CHAWRI BAZAR.
Hier ist es laut, es stinkt und man wird tendenziell noch häufiger fast angefahren als sowieso. Das Büro ist eine circa zehnminütige Odyssee von der U-Bahn entfernt. Auffällig ist wie viele Leute hier in den in etwa zwei Meter breiten Büros arbeiten. Auf 15 m² sind hier mitunter 10 Leute zu finden, die aber auch gerne einfach nur auf dem Boden sitzen und keiner sinnvollen Tätigkeit nachzugehen scheinen. Das N.T.S.C.-Büro (Newsprint Trading & Sales Corporation) liegt im zweiten Stock und ist wesentlich geräumiger und ganz in Holz gehalten. Arun leitet zusammen mit seinem Schwager das Büro, das in etwa 8 +/- 2 Leute beschäftigt. Eine operative Funktion scheinen nur drei bis vier von ihnen zu haben. Der Rest hängt herum und wartet bis er etwas zu Essen oder Trinken holen kann. Womit wir beim nächsten Problem wären: Diese Bediensteten werden nach meiner Auffassung wie der letzte Dreck behandelt. Ohne „Bitte“ und „Danke“ wird alle Arbeit, die sie verrichten völlig ohne Anerkennung hingenommen. Es fällt mir schwer dieses einfach zu akzeptieren und werde immer völlig unverstanden von den Büroleitern angeguckt, wenn ich „Thank you“ sage oder einem Bediensteten auch mal die Tür aufhalte.
Allerdings haben diese Leute nun auch eine Beschäftigung gefunden: Mich anzustarren. Dieses fällt auch auf der Straße auf, da ich meine mitteleuropäische Herkunft wohl kaum verleugnen kann.
Hier noch mal ein Satz an alle Inder: DEAR INDIAN FELLOWS: I AM NOT FROM MARS OR OUTERSPACE IN GENERAL! Aber man muss einfach bedenken, dass die meisten der Menschen hier noch niemals in ihrem Leben einen hellhäutigen Europäer zu Gesicht bekommen haben.

Dienstag, 4. September 2007

Die ersten Erlebnisse

Heute (04.09.07) war ich dann erstmal mit Arun zum Essen verabredet und wir haben typisch indisch im amerikanischen Ruby Tuesday diniert. Die Konversation geht mühelos auf Plattdeutsch von statten, nur ab und zu muss ich wegen des indischen Akzents noch mal um Wiederholung bitten. Arun ist studierter Mechatronik-Ingenieur und ist bisweilen recht schweigsam. Er ist Hindu und isst kein Fleisch, kann aber anscheinend ab und an dem Ruf des Zechens nicht widerstehen. Mal schauen, was der so am Glas kann. Die Gelegenheit wird sich sicherlich ergeben, wenn Prem auch dabei ist. Dieser ist Arun’s Chef und geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens N.T.S.C. in dessen Büro ich meine eigenen Brötchen backen werde.
Darauf folgte dann noch eine kleine „Rund um den Pudding Tour“. Ich habe drei Malls und ca. 70 Restaurants in der unmittelbaren Umgebung. Die Preise sind moderat, aber nicht so günstig wie gedacht.
Auffallend sind leider auch die vielen Obdachlosen, die ihr Domizil direkt auf den
„Grünstreifen“ der Hauptverkehrsstraßen gefunden haben. Auch kleinere Wellblech-Slums konnte man schon auf dem Weg zwischen Hotel und Flughafen sehen. Irgendwie erschütternd, aber in Indien werde ich mich wohl an den Anblick solcher Bilder gewöhnen müssen.

Die VORLÄUFIGE Unterkunft

Das Hotel ist westlicher, unterer Standard. Die Wände sind in einem Rosa gehalten. Schön, dass die direkt meine Lieblingsfarbe benutzt haben. Jeder BWL- oder Jurastudent könnte in dieser Atmosphäre auch noch das Letzte aus sich herausholen und wäre wegen seiner eigenen Kleidung auch noch fast unsichtbar.
Ein schlechtes Gewissen habe ich im Moment dem Pagen gegenüber, da dieser ca. ein Viertel meiner Statur ausmacht und alle meine Koffer bestehend aus Hauptkoffer (wie eingangs erwähnt ca. 26 kg (inkl. der erlaubten Toleranz); meiner Anzugtasche (ca. 13 kg) und meiner Laptop-Tasche (wohl auch so 7 kg) auf einmal in den dritten Stock gewuchtet hat. Ich habe ihm vorsorglich schon einmal ein wenig mehr Trinkgeld zukommen lassen, ich denke, dass ich somit die Wahrscheinlichkeit einer eventuellen Anklage wegen Körperverletzung schmälere.
Klimaanlage und Ventilator sind auch vorhanden, womit wir auch gleich beim nächsten Punkt wären. Es ist verdammt heiß und feucht hier. Das Thermometer sagt 30 – 35 Grad Celsius und die Luftfeuchtigkeit treibt einem den Schweiß schon beim Einatmen auf die Stirn – genau mein Klima. Aber im Dezember soll es dann gemäßigt werden. Bis dahin werde ich wohl einen eigenen Atomreaktor für meine Klimaanlage gestellt bekommen, weil diese in Kombination mit dem Ventilator 24/7 laufen wird. Dafür verbrauche ich mit meinem Rechner bis dato noch nicht allzu viel Strom, da es in meinem Hotel anscheinend keine Internet-Verbindung geben wird. Also werde ich mich hier mal um einen kleinen Umzug bemühen.

Montag, 3. September 2007

Blow the Horn

Abgeholt wurde ich von Arun, der mit einem liebevoll gestalteten Schild mit meinem Namen direkt nach der Gepäckausgabe wartete. Wir begaben uns auf den Weg zum Taxi, das mir eines der ersten Erlebnisse auf meiner Delhi Odyssee bescheren sollte. Der Autoverkehr ist nämlich eine besondere Erfahrung und wenn der Versicherer meiner Firma dieses Bild gesehen hätte, würde man sicherlich noch einmal den Rundumschutz meiner Person, ob der Gefahr im Straßenverkehr, überdenken.
Erstens vereinen sich auf der Airport-Autobahn Auto, Rikscha, Kuh und Kleinkind zu einer nicht unbedingt homogenen Masse und zweitens gibt es weder Rückspiegel noch Blinker. Das heißt, dass in jedem Kopfe eines indischen Verkehrsteilnehmers ein Gedanke recht fest verankert ist: Nach mir die Sintflut. Alle Fahrzeuge über Schätzungsweise 3,5 Tonnen haben einen Aufkleber mit einer wahrlich ernst genommenen Botschaft auf der Heckstoßstange: „After 8 pm please blow the horn“. Alle hupen mit Verlaub gesagt wie die letzten Irren und es ergibt auf den ersten Blick nicht annähernd einen Sinn. Aber ich bleibe dran und werde das Rätsel vielleicht eines Tages lösen. Außerdem steht eines fest. In Delhi werde ich kein Kraftfahrzeug auf der rechten Seite vorne besteigen und die Zündung betätigen.

First Steps

Nun ist es endlich losgegangen und ich sitze in Helsinki am Flughafen und warte auf meine Weiterreise in Richtung Delhi.

Leichtere Probleme gab es in Hamburg am Flughafen das Reisegepäck betreffend, dass ganz nach Schönfelder’scher Art viel zu üppig ausgefallen war. Statt der erlaubten 23 kg sind es dann doch im Hauptkoffer 32 kg geworden und bei EUR 34,5 pro Kilogramm Übergewicht entschied ich mich dann doch recht schnell für eine Aus- und Umpackaktion. Leonie war vorsorglich mit einem Umpackrucksack ausgestattet und nahm einige vermeintlich unwichtige Utensilien mit zum Verbleib in Hamburg und der Rest wurde dann in meiner oft belächelten, ABER VÖLLIG SINNVOLLEN Anzugstransporttasche untergebracht, die nun auch stolze 13 kg auf die Waage bringt.
Jeder kann was. Was mich betrifft kann ich sehr gut sehr viel Einpacken.

Sonntag, 2. September 2007

Die Vorbereitung in Form von Packen

Mit Unterstützung der Freundin ist es mir gelungen alle eventuell notwendigen Dinge in meinem neu erstandenen High Tech Koffer unterzubringen.
Schmerzlich war es all meine geliebten Schuhe dem Dachboden zu überlassen respektive die zwei Paar auszuwählen, die mit mir die Reise antreten dürfen. Aber es ist vollbracht – das ich den Koffer nur schwerlich anheben kann bringt mich zurzeit noch nicht aus der Ruhe.