Mittwoch, 26. September 2007

Die neuen Familienmitglieder

Dass das Wort Gastfreundschaft in Indien einen weitaus höheren Stellenwert hat als in unseren Gefilden haben Leonie und ich nun auch am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Aber ersteinmal die Vorgeschichte:
Ich traf mich mit Rajesh, um die Möglichkeiten gemeinsamer geschäftlicher Aktivitäten in der Zukunft abzuwägen. Rajesh ist einer der vielen Schwäger von Prem Kishan Gupta, meinem "Mentor".
Unser Geschäftsgespräch schwang relativ zügig auf meine bisherigen Erfahrungen hier in Delhi um und ich beschwerte mich über das schwache Nachtleben meiner derzeitigen Wahlheimat. Rajesh intervenierte sofort und lud mich umgehend auf eine kleine Besichtigungs- und Kneipentour ein. Da Inder geschäftlich viel ohne jeglichen Wahrheitsgehalt reden, nahm ich diese Einladung natürlich an, rechnete aber nicht damit, dass ein solchartiger Abend wirklich stattfinden würde.
Am nächsten Tag musste ich noch einmal geschäftlich mit ihm telefonieren und Rajesh lud Leonie und Michelle (von denen ich ihm erzählt hatte) und mich tatsächlich zu einem gemeinsamen Abend mit seiner Frau Sangeeta ein.


Die beiden holten uns in ihrem Suzuki (die Inder stehen auf Reisbrenner), der auf arktische Temperaturen abgekühlt war, ab. Schon in den ersten Minuten stellte ich mir die folgende Frage: Wenn Frauen angeblich viel reden, was ist Sangeeta dann? Auf jeden Fall ist Sangeeta das Überwesen der Vielredner.
Begleitet von ständigem Gebrabbel besichtigten wir erst das India Gate.

Dieses ist ein 42 m hoher, ca 20 m breiter und 15 m tiefer Bau im Zentrum Delhis. Er ähnelt dem Arc de Triomphe in Paris. In seinem Inneren brennt eine ewige Flamme, die zusammen mit den in den Bogen eingemeißelten Namen an alle in Kriegen gefallenen Soldaten Indiens erinnern soll. Man stelle sich vor so etwas gäbe es in Deutschland. Bei dessen kriegerischer Vergangenheit müssten wohl die Zwillingstürme in Kuala Lumpur als Gedenkstätte herhalten.
Direkt nach dem Delhi Gate ging es an die Pforten der präsidialen Unterkunft und der verschiedenen Ministerien sowie des Parlaments. Leider nur ein kurzer Moment, da aufgrund der andauernden Panikmache wegen der angeblichen Terrorgefahr eine nähere Erkundung nicht mehr gestattet ist und durch schwerbewaffnete Polizisten sichergestellt wird.
Nach unserer kurzen Besichtigungstour ging es weiter in das Blues. Eine Kneipe in der überwiegend Gidda-Mugge mit Getrommel gespielt wurde. An sich schon meine Musik, allerdings nicht in einer Lautstärke von 140 dB (wenn sich meine Jungs hier allerdings mal blicken lassen sollten, werden wir hier wohl den ein oder anderen Abend versacken und das tun was wir vermeintlich am besten können - Bier trinken). Leider scheinen die Inder durch das viele Hupen und den ständigen Verkehrslärm jegliches Gefühl für Lautstärke verloren zu haben. Folglich redeten alle wie ganz normal. Nur wir drei noch nicht eingenordeten hatten arge Probleme unsere eigenen Worte zu verstehen. Danach gingen wir noch in ein typisches indisches Restaurant, in dem es erlaubt ist seine eigene Getränke mitzubringen (Rajesh hatte zum Glück indischen Whisky mit - kann man trinken...). Das Essen war mit Verlaub gesagt gewöhnungsbedürftig. Für die Damen gab es Vegetarisches und Fisch, für mich und Rajesh Geflügel-Innereien (was ich glücklicherweise erst nach dem Essen herausfand). Auch das in meinem Tagebuch zu findende "Musik"-Video stammt von jenem Abend.
Der Abend war alles in allem sehr nett. Eines wurde mir aber auch klar. Das "verheiratet werden" von Frauen ist in Indien auch in der heutigen Zeit die Regel. Zumindest Sangeeta äußerte ihren Unmut darüber mit Kommentaren wie: "In India you first get married - then you fall in love".
Erwähnenswert bleibt aber trotzdem eines: Auf der Hochzeit der beiden waren mal eben 10.000 Gäste und sie dauerte 6 Tage. Eigentlich sind die Kosten eines so gigantischen Festes durch die Eltern der Braut zu tragen, aber hier sprang Prem großzügig ein.
Leonie und ich sind jetzt zumindest so etwas wie passive Mitglieder der Familie. Wir sind jederzeit willkommen und könnten jegliche Hilfe von beiden in Anspruch nehmen. Außerdem wollen die beiden mit uns immer alles zusammen machen - mitunter schwierig...

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