Samstag, 8. September 2007

Indien und China - Die neuen Weltmächte? Amended.

Oft wird bei der Frage nach der neuen Ökonomie-Weltmacht direkt hinter der Volksrepublik China Indien als hoffnungsvoller Kandidat genannt. Schon in wenigen Jahren sollen die bisher dominierenden Volkswirtschaften USA, die Bundesrepublik Deutschland und Japan von ihren hohen Rössern gestürzt werden. Mein bisher bescheidener Einblick in die indische Welt besagt etwas anderes.

Aber erstmal möchte ich das "hoffnungsvolle" China als Topanwärter herauskegeln. Neueste Berichte von Naturkatastrophen und Produktionsausfällen durch das hoffnungslos überlastete Stromnetz, lassen jeden aufmerksamen Leser einschlägiger Tageszeitungen doch an den immens positiven, immer wieder veröffentlichten Statistiken, zweifeln. Wenn in der bedeutenden Lebensader Jangtse fast täglich Tierarten für immer verschwinden und der hochgelobte Drei-Schluchten-Staudamm eine Flutkatastrophe nach der anderen heraufbeschwört, dann bleibt es nur eine Frage der Zeit bis die riesige Masse der Landbevölkerung, die bisher nichts vom wirtschaftlichen Aufschwung zu spüren bekommen hat, ihrer Lebenselexire Wasser und fruchtbaren Boden beraubt wird. Wie die regierende KP ein solch massives Problem lösen möchte bleibt abzuwarten. Vielleicht waren die Ereignisse am Platz des himmlischen Friedens im Jahre 1989 nur der Anfang, um sich der Proteste des nicht zu bändigenden Mob zu entledigen.

Bleibt die unbestrittene, immer weiter wachsende Handelsmacht China. Auch hier scheint nicht alles so rosig zu sein, wie die Statistiken aussagen. Denn immer neue Rückrufe, wie z.B. in der letzten Zeit vonm Spielwarenhersteller Mattel, sensibilisieren den Käufer auf kurz oder lang. Denn ein paar Euro mehr zu investieren, wenn man damit das Risiko schmälert sich eines nicht einzuschätzenden Krebsrisikos auszusetzen, wird in der Zukunft in vielen Köpfen eine Überlegung wert sein.

Auch wenn auf der letzten Automesse in Peking eine gewisse Ähnlichkeit der chinesischen Fahrzeuge zu den KFZ auf deutschlands Straßen nicht zu leugnen ist, wird auch irgendwann ein Herr Pitschesrieder auf den Gedanken kommen, dass er zwar Milliarden investiert und dafür günstig produziert hat, aber seine Blaupausen mittlerweile den chinesischen Ingenieuren relativ gute Arbeitsgrundlagen bieten.

Nun aber zum „hoffnungsvollen“ Kandidaten Indien. Auf den ersten Blick bietet das Land exzellente Bedingungen. Eine junge, riesige Bevölkerung. Universitäten mit weltweit hohen Reputationen und die weltweit größte Demokratie.
Die Realität, der ich hier aber jeden Tag ausgesetzt bin, scheint etwas anderes auszusagen. Auch wenn das Kastensystem von staatlicher Seite nicht mehr gewollt ist und man versucht es zu bekämpfen - es bleibt im alltäglichen Leben unübersehbar. Wenn man die Massen sieht, die scheinbar keiner Beschäftigung nachzugehen scheinen. Wenn ich die alltägliche Armut sehe, die hier herrscht, dann frage ich mich wie man es schaffen möchte, einen Weg zu finden, der aus dieser misslichen Lage herausführt.
Angestoßen zu diesen Gedanken hat mich meine gestrige Fahrt mit Arun zu meinem ersten Treffen mit einem recht großen Papier-Trader. Auf dem Weg fuhren wir über den muslimischen Teil des Chawri Bazaar. Auffallend war das dreckige und von Kindern gesäumte "Ambiente". Keiner der dort ansässigen Läden schien eine geordnete Geschäftsstruktur zu haben. Die Halal-Schlachter standen in der heißesten Sonne mit ihrer Fleischauslage, die schwarz von Fliegen war. Auf meine Frage, ob man den Moslems einen Geschäftszweig zuordnen könne (im Papierhandel sind zum Beispiel überwiegend Hindus und ein paar Sikhs tätig), entgegnete Arun nur: “The only thing the Muslims are qualified of is getting a lot of children. Furthermore they do not educate them. “
Dass aufgrund der geschichtlichen Hintergründe der Stadt Delhi ein gewisses zwiespältiges Verhältnis zwischen Moslems und Hindus/Sikhs nachzuvollziehen ist sei dahingestellt. Schließlich ist die kämpfende Einheit der Sikhs erst aus den Fehden zwischen Hindus und Moslems vor hunderten von Jahren hervorgekommen, als einige Teile der Hindus merkten: Mensch, wenn wir unserer Philosophie folgen und keinerlei Gewalt anwenden – nicht einmal im Verteidigungsfall, dann werden wir unsere Besatzer, die Moslems, nie los.
Wie schon erwähnt ist dieses hunderte Jahre her. Trotz alledem ist die Abneigung beider Gruppen füreinander tief verwurzelt und endet leider nur allzu oft in terroristischen Akten der muslimischen Seite. Die hinduistische Seite äußert sich zwar nicht durch direkte Gewaltakte, aber trägt ihren Teil zum immer noch währenden Konflikt durch Unterdrückung bei. Sollten beide Seiten hier nicht auf einander zukommen, behindern sie ein ganzes Land, oder zumindest weite Teile daran das zu werden, was viele Wirtschaftsweise prophezeien – eine durch gesellschaftliche Stabilität geprägte Wirtschaftsmacht.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Andy!

Sehr interessant die Beiträge, das werde ich auch in Zukunft mal ein bisschen verfolgen. Und hoffentlich bei Gelegenheit auch mal einen Kommentar abgeben, nach einem Jahr Blog-Schreiben aus dem Ausland weiß ich nämlich, wie wichtig Feedback für die Motivation ist (auch wenn ich glaube, dass Du den bisherigen Takt auch bei einer Flut von Kommentaren nicht aufrechterhalten können wirst).

Zur zukünftigen Wirtschaftsmacht Indien soviel: Mein Onkel hat bis vor kurzem in Bangalore gearbeitet und ist zu dem Schluss gekommen, dass unter anderem die unübersichtlichen politischen Strukturen, die überfällige Entscheidungen verhindern, und die mangelhafte Infrastruktur die größten Probleme auf dem Weg zum entwickelten Land darstellen.

Mein Cousin hat übrigens vor kurzem über seine Zeit in Bangalore geschrieben: "India was amazing!" Ich hoffe, das wirst Du auch später einmal sagen können.

In dem Sinne alles Gute und viel Spaß,

Andre

Andreas hat gesagt…

Moin!
Vielen Dank für die Rückmeldung. Übrigens habe ich die Hälfte meines Textes nicht in den Blog kopiert - das glaube ich zumindest.
Was die Einschätzung der Infrastruktur und den politischen Entscheidungen angeht, kann ich Deinem Onkel nur beipflichten.

Viele Grüße nach Stuttgart!

Andy