Sonntag, 4. November 2007

Peterles Abend der Schande

Ich hatte mir mal wieder vorgenommen mein innig geliebtes Goethe-Institut heimzusuchen, um den Ausführungen des so proklamierten Musikethnologen Peter Pannke zu lauschen. Es war eine Lesung seines neuen Buches und eine Diskussion mit William Dalrymple über die traditionelle Musik Indiens angesetzt. W.D. ist der Verfasser des Buches „City of Djinns - one year in Delhi“, das erstens Namensgeber meines Tagebuches und zweitens Vorbereitung für meinen Delhi-Aufenthalt gewesen ist. Eigentlich waren auch Herr Dalrymple und das ebenso angekündigte Konzert die wirklichen Beweggründe für meinen neuerlichen Aufenthalt im Max Mueller Bhavan, da mir schon die Bezeichnung „Musikethnologe“ im Vorwege ein wenig Angst machte. Diese wurde mehr als bestätigt.
Der Vortrag begann ein wenig später, da W.D. im Stau der Stadt verschollen war. Eigentlich hätte er ob seines Jahre andauernden Aufenthalts in Delhi wissen sollen, dass der Verkehr generell ab fünf Uhr nachmittags nahezu unerträglich wird. Außerdem steht diesen Freitag ja Diwali an, das größte Fest der Hindus. Diese Kombination verlängert die Zeit, die ich abends nach getaner Arbeit nach Hause brauche auf gut 1,5 Stunden. Außerdem ist eine chronische Bronchitis unumgänglich, sollte man mal wieder sein Gerödel mit der enthaltenen ABC-Maske (in Form eines Stofftaschentuchs) vergessen haben.
Irgendwann erschien W.D., der mir gleich sympathisch wurde, da er in Chucks, Traveller-Hose und halb aufgeknöpftem Hemd nicht wie ein Schriftsteller aussah, sondern wie ein Tourist, der auf der Suche nach dem nächstem kühlen Bier ist. Er entschuldigte sich kurz und setzte sich zu Peter, der sich richtig schick gemacht hatte. Sein knallrotes Sakko und seine Reinhold-Messner-Frisur machten ihn äußerlich zu einer Mischung aus Ivan Rebroff und dem Yeti.
Die beiden begrüßten sich und Peterle begann mit der Verlesung seines Buches „Singers die twice“ . Es war mit Verlaub gesagt wirklich grauenvoll. Erstens war sein Vorlese-Englisch unterirdisch und zweitens war die englische Übersetzung seines Buches erst am Vorabend in Delhi eingetroffen und wies doch noch einige Fehler auf. Trotzdem zog der Wahl-Berliner völlig schmerzbefreit seine audiovisuelle Folter durch. William, zu seiner rechten sitzend, hatte während dieser dreißig Minuten des Öfteren mit dem Schlaf zu kämpfen und auch ich sehnte mich nach einer lebhaften Diskussion oder einem Glas Wein. Der angekündigte Wein war wohl auch der Beweggrund für die wenigen Gäste bis zum bitteren Ende auszuharren. Nach der Buchpräsentation begann die „Diskussion“, die Peter überwiegend ohne den leicht verloren wirkenden William führte. Dieser stellte lediglich ein paar gelangweilte Fragen. Sowohl das Buch als auch die Diskussion hatten den so genannten DHRUPAD-GESANG zum Thema. Ein Thema das mich nicht hundertprozentig tangiert. Da Peter nicht den Sinn kam, das die Hälfte des Publikums genauso wie ich keinen blassen Schimmer von dem hatte, was er da erzählte, ging die Aufmerksamkeitsspanne von allen relativ rapide nach unten. Man hätte das Thema wahrscheinlich auch interessanter aufbereiten können. Auch eine Miteinbeziehung des durchaus mit Humor ausgestatteten William hätte den Redepart durchaus interessant werden lassen können. Irgendwann ergriff dieser endlich die Initiative und leitete völlig dreist den musikalischen Teil des Abends ein. Ein erleichtertes Raunen ging durch die Audienz, glaubte man sich nun endlich von Peter befreit. Zu früh gefreut - der hängengebliebene Indien-Freak kam wieder.

Nun betrat Premkumar Mallik die Bühne. Der Musik-Professor aus Allahabad hatte seinen Sohn im Gepäck und ist eine Koryphäe auf dem Gebiet des Dhrupad-Gesanges. Dieser ist für einen Außenstehenden nicht vom Gesang eines Muezzin (in der Moschee) zu unterscheiden. Der Gesang ist sehr klagend und wird nur von einer Art Quetschkommode und zwei bongoähnlichen Trommeln unterstützt. Eine angenehme Form der Musik - wirklich. Sie passte zur Atmosphäre und lenkte vom durch P.P. verursachten Schreck ab.
Ich war gerade im höchsten Entspannungsmodus angekommen, da schreckte mich eine Bewegung in der ersten Reihe auf. Peter war aufgestanden und warf sich einen weißen Umhang über. Puh, wahrscheinlich ist ihm nur kalt - das dachten und hofften wohl alle Anwesenden innig. Aber Peter erstürmte die Bühne und stimmte zum Gesang der beiden Künstler auf der Bühne ein und zwar überwiegend alles andere als im Takt und in einer nicht unbedingt harmonischen Stimmlage. Als er dann auch noch den Text beim Singen ins englische übersetzte wurde es mir schon unangenehm.
Schließlich verknüpfte er das Heinrich Heine Gedicht Friederike (das von einem Indien-Aufenthalt Heines handelt) mit dem traditionellen Gesang. Ich versank stellvertretend für alle Deutschen im Boden. William hatte schon zur Hälfte des Konzerts die Flucht ergriffen, da er einen wichtigen Termin hatte. Leider hätte er sich danach nicht allzu offensichtlich an das Buffet stellen sollen - aber ich kann es ihm nicht verübeln.

Berit, die ich ja im Goethe-Institut kennen gelernt hatte, war zum Fotos machen und dabei über den Boden robben eingeteilt (sie macht ein Praktikum im Institut) und somit hatte ich nur wenig Gelegenheit über die Performance meines Landmannes zu lästern.

Der Kommentar der Programmchefin unterstützt meinen Eindruck des Abends. O-Ton: „Er hat meine schlimmsten Erwartungen bei Weitem übertroffen“. Außerdem fragte eine weitere Mitarbeiterin Berit zwischendurch, on sie Peter’s Mikro nicht abstellen solle.
Nicht das irgendwer dahergelaufen kommt und mich als Kulturbolschewisten bezeichnet.

Als das Konzert dann endlich vorbei war - das Wort „endlich“ ist dabei Peter zu verdanken -gab es dann noch leckere kleine Häppchen und Merlot für das leibliche Wohl. Hier drang sich mir dann noch eine Inderin auf, die in New York lebt. Diese begrüßte mich mit einem:“ Hi, how you’re doing? Nice to meeting you. I am xxxxx. (den Namen habe ich vergessen)“
Ich hasse diese gespielte Freundlichkeit und war sehr froh als sich dann auch noch Kat zu uns gesellte. Der gebürtige Rumäne, der in Kanada lebt antwortete auf meine erneute Nachfrage nach seinem Namen mit „like a cat, miau“. Kat war überaus sympathisch und lenkte mich ein wenig von den bescheuerten Fragen der New Yorkerin ab. Es blieb aber beim Small Talk und Berit und ich beschlossen in den Greater Kailash I zu fahren um uns bei Gin Tonic und Bier vom Schrecken des Abends zu erholen. Leider hatte der von uns georderte Rikshaw-Fahrer keinen blassen Schimmer von unserem Ziel und wir mussten uns durchfragen. Nun kam ein großes Problem eines jeden Rikshaw-Fahrers zum Tragen. Inder können kulturell bedingt nicht nein sagen. Das kann zu etwaigen Problemen führen, wenn man nach dem Weg zu einem bestimmten Ziel fragt. Denn anstatt zu sagen, dass das erfragte Ziel unbekannt ist, schickt der Gefragte einen lieber nach Mumbai als zuzugeben, dass er keine Ahnung hat wo sich der N-Block im Greater Kailash I befindet.
Schlussendlich fanden wir noch die Bar WE2, die trotz der fortgeschrittenen Stunde (es war gegen 23h) noch geöffnet hatte. Irgendwie war ich durch den bisherigen Verlauf des Abends leicht angesäuert und ich freute mich auf meinen wohlverdienten, auf der Karte angepriesenen, Beefeater mit Tonic. Auch hier kam wieder das Problem des „nicht-nein-sagen-Könnens“ zu Tragen. Aber lesen Sie selbst:

Andreas: One Beefeater with Tonic Water, two pieces of ice and a lemon slice please.
Kellner: Hanji (yes) Sir. Kopwackeln (kann sowohl ja, so etwas wie nein und vielleicht heißen)
(fünf Minuten später bringt der Kellner einen Seagrams Dry Gin ohne Eis, Zitrone und Tonic-Water, dafür mit Limonensirup und Wasser)
Andreas: That’s not what I wanted. Can you get me some Tonic Water?!
Kellner: Yes Sir.
(fünf Minuten später)
Kellner: Sorry Sir, we do not have Tonic Water.
Andreas: Okay, then please bring a White Russian.
Kellner: Okay Sir.
(fünf Minuten später)
Kellner: Sorry Sir, White Russian is not available.
Andreas: Okay, just get me a cold beer.

Für diese Situation erspare ich mir den Kommentar „nix zu kriegen - wie im Osten“. Mit dem Bier in der Hand war ich dann aber doch zufrieden gestellt und ich konnte den Abend bei Konversation mit Berit (von der wir beide nichts verstanden, da die Musik mal wieder viel zu laut war) und kaltem Bier in der Hand ausklingen lassen.

Ein Satz noch mal an Peter Pannke:

Dear Peter,

Thank you for setting my people and me back a thousand years.